Im April 2017 wurde in Bayern wieder ein „Vaterzeit“-Rekord gemeldet: So viele Männer wie noch nie beantragten das gesetzlich geförderte Elterngeld in Zusammenhang mit der Elternzeit – in München fast jeder zweite Vater (42%). Deutschlandweit bleibt jeder Dritte zu Hause. Spitzenreiter ist Jena mit einem Anteil von fast 60% an Männern, die sich eine Auszeit für die Familie nehmen. Seit der Einführung der zusätzlichen Elterngeldmonate für Väter im Jahr 2007 geht das Trendbarometer für deren Beliebtheit kontinuierlich nach oben (damals waren es in München beispielsweise nur 17% der Väter).

 

Allerdings geht die Elternzeit der Väter so gut wie nie über die Mindest-Zwei-Monate hinaus. Was berichten Unternehmen aus der Praxis? Was sind die Gründe dafür, dass Männer nach wie vor nur einen kleinen Teil der Elternzeit beanspruchen und Frauen den Großteil tragen? Warum wäre es überhaupt notwenig, dass Männer mehr Verantwortung bei der Kindererziehung übernehmen und wie kann jeder dabei gewinnen? Das erfahrt ihr in unserem Blogbeitrag

 

Das berichten MFF-Unternehmen aus der Praxis

Im Zuge unseres regelmäßigen Erfahrungsaustauschs zwischen den Unternehmen, die das Memorandum für Frauen in Führung unterzeichnet haben, stand kürzlich das Thema „Karriere trotz Elternzeit – neue Ideen und Herangehensweisen“ im Fokus. Vertreter der MFF-Unternehmen berichteten aus der Praxis, dass die Inanspruchnahme von zwei Monaten Elternzeit bei Väter mittlerweile zum Standard gehört. Bei Frauen ist zu beobachten, dass sich die früher übliche Elternzeit von mehreren Jahren auf mittlerweile durchschnittliche 12 bis 15 Monate eingependelt hat. Auch wurde rückgemeldet, dass Frauen in höheren Führungsebenen schneller in den Job zurückkehren, als Frauen in niedrigeren Positionen. Entsprechende Ergebnisse ergab auch unser Benchmark der vergangenen Jahre, mit dem wir den MFF-Unternehmen regelmäßig die Möglichkeit bieten, ihre Fortschritte in Bezug auf die Förderung von Frauenkarrieren zu dokumentieren und zu vergleichen. Die Unternehmen berichten darüber hinaus wenig überraschend, dass eine paritätische Verteilung der Elternzeit bei weitem noch nicht gegeben ist. Nur wenige Väter nehmen über die gesetzliche Mindestgrenze von zwei Monaten hinaus Elternmonate.

 

Diese 18 Unternehmen haben das Memorandum für Frauen in Führung unterzeichnet:

Allianz Deutschland AGBayerische LandesbankBayerische VersorgungskammerBSH Hausgeräte GmbHCaritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V.DeloitteGEWOFAGHypoVereinbankKPMG WPGLBS BayernLH MünchenLVM VersicherungMc Donald'sMTU Aero EnginesNOKIASiemensSWMTelefónica Germany

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Angst vor dem Karriereknick – zu Recht?

Tatsächlich weckt die Elternzeit bei Männern immer noch die Angst vor einem Karriereknick. „Wenn Männer Elternzeit nehmen, ist das schädlich für die Karriere“, sagten 44% der Befragten der XING-Umfrage-Klartext. Dabei ergab schon 2009 eine Umfrage von Pfahl & Reuyß, dass diese Sorge meistens unberechtigt ist. 80% der Väter hatten nach der Elternzeit keine Karriereeinbußen. 10% bemerkten Veränderungen am Gehalt. 16% klagten über schlechtere Aufstiegschancen. Mittlerweile müssten sich die Zahlen durch die Etablierung der Vaterzeit weiter verbessert haben. Und dennoch bleibt für Männer ein belegtes Restrisiko, mit einer familienorientierteren Leistungseinstellung Nachteile in ihrer beruflichen Entwicklung zu erfahren. Denn tatsächlich berichten aus der Praxis immer noch Väter, dass ihnen nach dem Antrag auf Arbeitszeitreduzierung oder verlängerter Elternzeit Entwicklungsperspektiven gestrichen oder Bonuszahlungen gekürzt wurden. Oder auf der zwischenmenschlichen Ebene: Dass sie von Kollegen verspottet wurden.

Und schon gewusst? Im Gegensatz zu Müttern genießen Väter während der Elternzeit keinen Kündigungsschutz. Das führt dazu, dass Männer aus Angst vor negativen Konsequenzen spät in die Kommunikation mit ihrem Arbeitgeber gehen. Dabei trägt gerade eine frühzeitige Ankündigung zur positiven Einstellung des Arbeitgebers gegenüber der Elternzeit bei, da mehr Planungssicherheit besteht – im Übrigen spielt auch die Bereitschaft in Notfällen erreichbar zu sein eine Rolle für den „Unternehmensfrieden“ mit der Elternzeit.

 

Vaterzeit in der Stereotypen-Falle

Manchmal haben es junge Väter schon auch nicht leicht – oder nicht mehr so leicht wie früher, als ihre Rolle als Familienoberhaupt, Alleinernährer und Patriarch noch klar definiert war. Die Erwartungen an sie sind gewachsen – von allen Seiten – und damit auch die stereotypen Klischees. Zum einen werden sie durch Aussagen wie „der Moderne Mann nimmt Elternzeit“ gesellschaftlich quasi dazu genötigt, mindestens zwei Monate Familienauszeit zu nehmen. Andererseits werden sie als „Zweimonatsväter“ für ihr neues Engagement belächelt. Und wenn Väter versuchen das Beste aus ihrer zusätzlich gewonnen Family-Time zu machen, wird ihnen vorgeworfen, die Elternzeit nur als verlängerten Urlaub zu nutzen (wie in diesem heiß diskutierten Kommentar einer SZ-Autorin). Und selbst wenn Mann gerne länger als zwei Monate zu Hause bleiben würde – nicht jede Frau möchte Abstriche bei ihren gesetzlich gesicherten 12 Monaten machen und kommuniziert dies offen nach außen.

 

Elternzeit – die minderwertigere Auszeit?

Ein weiterer Grund für die geringe Nachfrage an verlängerter Elternzeit könnte darin bestehen, dass ein Jahr Sabbatical höhere Anerkennung genießt, als ein Jahr Elternzeit. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Elternzeit im Gegensatz zum Sabbatical häufig nicht mit einem Zuwachs an Kompetenz assoziiert wird. Ein Sabbatical wird von manchen auch zum Kompetenzaufbau, wie z. B. der Ablegung des Wirtschaftsprüfer- bzw. Steuerberaterexamens oder für eine Weiterbildung genutzt. Auch eine Weltreise oder die Verwirklichung eines langen Traums sind Beweggründe für ein Sabbatical und Erfahrungen, um die einen Kollegen beneiden und Vorgesetzte respektieren. Dabei kann mit Sicherheit auch jede Mutter und jeder Vater von sich behaupten, seit der Geburt des Kindes in vielen Bereichen wichtige Erfahrungen gesammelt und damit Kompetenzen hinzugewonnen zu haben – sei es Geduld, Zeitmanagement oder Verantwortungsbewusstsein. Im Rahmen eines Rückkehrgespräches nach der Elternzeit könnten Unternehmen beispielsweise evaluieren, in welchen Bereichen ein Mitarbeiter/ eine Mitarbeiterin einen Kompetenzzuwachs verzeichnen konnte.

 

Das Dilemma mit den Finanzen

Natürlich muss auch der finanzielle Aspekt betrachtet werden – denn der überwiegt wahrscheinlich am häufigsten, wenn es um die strategische Aufteilung von Elternmonaten geht. Fakt ist: Frauen tragen in Deutschland unterdurchschnittlich zum Familieneinkommen bei. Und meist ist die logische Konsequenz, dass derjenige zur Arbeit geht, der im Job mehr Geld mit nach Hause bringt – also überwiegend die Männer. Das ist ein Teufelskreis, denn Frauen können in Sachen beruflicher Gleichstellung und „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nur aufholen, wenn sie bei der Vereinbarkeitsproblematik von Familie und Karriere nicht immer den Kürzeren ziehen. Es zeigt sich auch: In Familien, in denen Frauen maßgeblich zum Einkommen beitragen, gehen Männer eher in Elternzeit und reduzieren auch hinterher auf Teilzeit.

 

Vaterzeit – ein Gewinn für alle

Eine OECD-Studie von 2017 zeigt: Väter, die Zeit mit ihren Kindern verbringen, haben ein geringeres Scheidungsrisiko und sind subjektiver zufriedener mit ihrem Leben sowie physisch und psychisch gesünder als weniger engagierte Väter. Auch zeigt die Studie, dass sich Väter nach der Elternzeit stärker an der Erziehung der Kinder beteiligen sowie, dass durch die Elternzeit eine enge kognitive und emotionale Bindung zwischen Vater und Kind entsteht. Von ausgeglichenen Mitarbeitern profitieren wiederum auch Unternehmen. Maßnahmen für eine bessere Work-Life-Balance stehen seit Jahren auf der Agenda attraktiver Arbeitgeber. Die Elternzeit von Männern bildet in diesem Zusammenhang aber noch keinen Schwerpunkt und müsste stärker in den Blick genommen werden. Der positive Effekt für Frauen liegt natürlich auf der Hand: eine frühere Rückkehr in den Beruf fördert die Chancengleichheit zu den männlichen Kollegen und die eigene berufliche Entwicklung. Nur die Etablierung von einer ausgeglicheneren Aufteilung der Elternmonate zwischen Mutter und Vater kann langfristig die Gesellschaft verändern. Kinder, deren Mütter berufstätig waren und sind, erwarten von der Gesellschaft eher, dass die Frauen auf dem Arbeitsmarkt die gleichen Chancen bietet wie Männern – so das Ergebnis einer OECD-Studie von 2016. Außerdem verbringen Söhne, die von berufstätigen Müttern erzogen wurden, später selbst mehr Zeit mit der Kinderbetreuung.

 

Fazit

Es hat sich in den letzten Jahren einiges bewegt und es ist wichtig, nicht immer nur das noch nicht Erreichte und die damit einhergehenden Defizite in den Blick zu nehmen, sondern explizit die positiv wahrnehmbare Entwicklung stetig zu kommunizieren. Und dennoch muss man festhalten, dass es für die berufliche Chancengleichheit von Frauen und Männern – bzw. Müttern und Vätern –  positiv wäre, wenn sich mehr Männer trauen würden, eine längere Auszeit für die Familie zu nehmen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Elternzeit nicht als eine Zeit des Kompetenzabbaus, sondern des Kompetenzaufbaus gesehen wird. Hierbei würde es helfen, wenn zum einen gesellschaftlich verankerte Stereotype überdacht werden und Unternehmen der Vaterzeit mit mehr Anerkennung für die persönliche Entwicklung zollen würden. Darüber hinaus ist ein simpler Baustein, Männern noch stärker über ihre Möglichkeiten zu informieren. Auch in der Diskussion mit den MFF-Unternehmen hat sich gezeigt, dass viele Männer nach wie vor nichts von ihrem gesetzlichen Anspruch auf mehr als zwei Monate Elternzeit wissen. Grundsätzlich kann die Entwicklung damit befördert werden, dass positive Erfahrungen der Männer, aber auch die negativen Reaktionen, die sie im beruflichen Kontext erleben, in den Dialog und die offene Kommunikation gebracht sowie die Gewinne für alle Beteiligten immer wieder betont werden.

 

Autorin: Julia Schmid