Ana-Cristina Grohnert, Vorstandsvorsitzende der Charta für Vielfalt e.V. und ehemaliges Vorstandsmitglied der Allianz Deutschland AG im Interview mit Cross Consult, ihre aktuelle Einschätzung zum Thema Diversität: „Diversität wird von vielen Unternehmen noch unterschätzt“.

 

Ist es für Unternehmen nicht nur schick und hipp, sich mit dem Label Diversity zu schmücken?

Diversität wird von vielen Unternehmen noch unterschätzt. Vielfach finden entsprechende Initiativen nur auf Druck statt – durch Quotenregelungen oder den Druck der öffentlichen Meinung. Dabei verkennen viele Unternehmen die handfesten Vorteile von Vielfalt.

 

Diversity ist aktuell ein Trendthema, und dadurch sehe ich tatsächlich die Gefahr, dass sie dadurch zu einem reinen Kommunikations- oder Imagethemen verkommt. Ich finde es entscheidend, dass Vielfalt und Inklusion Teil einer nachhaltigen Unternehmensstrategie sind und nicht nur Baustein einer Kommunikationskampagne ist.

 

Unternehmen, die Vielfalt ernst nehmen und entsprechende Transformationsprozesse umsetzen, sind nachweislich besser aufgestellt hinsichtlich der Motivation und Gesundheit ihrer Mitarbeitenden, hinsichtlich Kund:innenzufriedenheit und hinsichtlich ihrer Innovationsfähigkeit. Sie sind rascher und besser in der Lage, auf die vielen Veränderungen im Markt und in den Bedürfnissen ihrer Zielgruppen zu reagieren – das ist gerade in unserer krisengeprägten Zeit ein enormer Vorteil!

 

Was sind Ihrer Erfahrung nach wirklich effektive Maßnahmen in Politik und Wirtschaft, um Vielfalt nachhaltig zu fördern?

Leider funktionieren Veränderungen vielfach nur auf Druck, weil es bequemer ist, beim Status Quo zu verharren. Ich bin mittlerweile Befürworterin von Quotenregelungen, weil wir gesehen haben, dass mit Freiwilligkeit zu wenig passiert. Der Gender Pay Gap liegt immer noch bei 18 Prozent, der Anteil von Frauen in Führungspositionen liegt laut Statista bei 28,4 Prozent, und der von Frauen in den Vorständen der Top 200 Unternehmen in Deutschland bei 14,7 Prozent.

 

Neben dem Druck über politische Regelungen bin ich aber vor allem dafür, über Aufklärungsarbeit Unternehmen dazu zu motivieren, Diversität ernst zu nehmen und ihre Vorteile zu erkennen. Dafür treten wir bei der Charta der Vielfalt ein. Wir helfen Unternehmen, konkrete Diversity Strategien umzusetzen und deren Erfolge messbar zu machen. Und dann: „Tue Gutes und rede darüber!“ – über unsere Medienarbeit zeigen wir diese Erfolge auf. Vielfältig besetzten Unternehmen fällt es viel leichter, attraktive Bewerber:innen zu gewinnen und zu binden – ein wichtiger Faktor in Zeiten des Fachkräftemangels. Und sie sind deutlich besser für die Zukunft aufgestellt.

 

Wie war es für Sie als Führungskraft häufig „alleine unter Männern“ zu sein?

Damit hatte ich noch nie ein Problem. Meine erste berufliche Station war bei der Preussag, die damals noch vorwiegend im Stahlbau tätig war. Da war ich als Frau häufig allein auf weiter Flur. Ich habe es immer verstanden, ernstgenommen zu werden – mit fachlicher Kompetenz und Leidenschaft für meine Projekte. Aber tatsächlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass man sich als Frau in Führungspositionen immer deutlich mehr beweisen muss als Männer. Dass man immer wieder aufs Neue zeigen muss, dass man die entsprechende Position tatsächlich verdient und nicht nur die „Quotenfrau“ ist.

 

Sie setzen sich für ein faires Miteinander in der Wirtschaft ein. Was bedeutet das im Berufsalltag? Was geht gar nicht?

Was für mich wirklich absolut indiskutabel ist, ist jegliche Form von fehlender Wertschätzung. Es gibt in vielen Unternehmen immer noch Chef:innen, und da gehören definitiv auch Frauen dazu, die aufgrund ihres Hierachie-Levels andere Menschen von oben herab behandeln. Oder die die Andersartigkeit ihrer Kolleg:innen nicht respektieren.

 

Für sehr entscheidend halte ich zudem ein nachhaltiges unternehmerisches Handeln, im Gegensatz zum Streben nach kurzfristigem Erfolg mit Blick auf Quartalszahlen oder ähnliches. Meiner Überzeugung nach sind nur die Unternehmen zukunftsfähig, die die Gesamtheit aller Stakeholder einbeziehen und bemüht sind, durch ihre Produkte oder Leistungen die Lebensbedingungen all dieser Zielgruppen zu verbessern. Dazu gehören Kund*innen, Mitarbeitende, Lieferketten, Standortkommunen sowie staatliche und nichtstaatliche Organisationen. Anders gesagt: Unternehmen können nur dann langfristig erfolgreich sein, wenn sie sich als Teil eines ganzheitlichen Ökosystems sehen und diesem Ökosystem einen Mehrwert bieten.

 

Vielen Dank für das Interview!

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