Welche Bedeutung haben Stereotype auf unser Denken und unsere eigene Wahrnehmung? Welche Auswirkungen haben Stereotype auf das Thema Frauen in Führungspositionen? Dieser Frage bin ich in meinem Vortrag „Geschlechterstereotype unter der Lupe – von Lieschen, Lillifee und Lilith“ nachgegangen. Hier ein Zusammenschnitt meines Auftritts bei der HerCareer 2016 – der Karrieremessen für Frauen:
Darum ging’s in meinem Vortrag:
Wer bin ich und wenn ja wie viele? Was sagen mir die anderen wer ich bin? Was hätte die anderen gerne, dass ich bin? Die Erwartungen der Anderen spielen in den verschiedenen Rollen, die wir im Leben einnehmen eine unterschiedlich große Bedeutung. Bin ich mir dieser Erwartungen überhaupt bewusst? Wie blicke ich selbst auf mich? Merke ich, wie dieser Blick der Anderen mich permanent beeinflusst?
Immer wieder wird gesagt, Frauen hätten mehr Selbstzweifel als Männer. Doch Selbstzweifel liegen im Auge des Betrachters. Bietet man Ihnen das vorstandsnahe Projekt an? Glaubt man, dass Sie das IT-Projekt stemmen können? Nein? Dieser Zweifel und vielleicht auch der Zweifel, ob es funktionieren kann, Frauen in Vorständen zu haben, spiegelt sich in uns wieder.
Was glaube ich, wer ich bin, wer ich sein sollte? Wie werde ich geprägt? Da spielen die Vorstellungen der anderen – wie nett, adrett, sympathisch und auch noch kompetent ich sein soll, eine große Rolle. Stereotype sind Eigenschaften, die wir einer bestimmten Gruppe zuschreiben. Häufig sind wir uns dieser Denkschemata nicht bewusst. Stereotype sind eine Summe von Erfahrungen. Sie schalten sich ein wie ein Autopilot, sowohl in Bezug auf uns selbst als auch auf die anderen.
Das heißt aber nicht, dass Stereotype schlecht sind. Wir brauchen dieses intuitive Denken, um uns zu orientieren. Wenn wir jemanden neu begegnen – vor allem im beruflichen Alltag – stellen wir uns sofort zwei Fragen: Wie sympathisch ist die Person und wie kompetent ist sie. Und diese Einschätzung muss in einem Bruchteil einer Sekunde fallen. Hier springt unser Autopilot ein. Stereotype sind letztendlich auch dazu da, die eigenen Unsicherheiten zu beseitigen.
In den Unternehmen, für die ich in den letzten Jahren beratend tätig war, bin ich verschiedenen Frauentypen begegnet. Da gibt es das fleißige Lieschen. Das fleißige Lieschen hat eine hohe Leistungsbereitschaft. Da wird nicht gefragt, ob das jetzt noch notwendig ist, da wird bis spät in den Abend gearbeitet. Dummerweise hat das fleißige Lieschen eine niedrige Erwartung an die eigene Wirksamkeit. Gleichzeitig beklagt sie sich, dass sie wenig Anerkennung bekommt, für das was sie tut. Bescheiden ist sie, macht nicht viel aufheben um sich. Doch ich muss mich fragen, weit komm ich, wenn ich mich im Unternehmen als fleißiges Lieschen bewege? Alles schön wegarbeite, niemanden störe, keine eigenen Ideen entwickle. Das dumme ist, dass beim fleißigen Lieschen stark an Frauen gedacht wird, aber nicht an Führungskraft. Sie ist zwar fleißig, aber nicht für Führung geeignet.
Dann haben wir noch das Lillifeechen. Die hat das Programm laufen: Sie macht es allen recht. Sie erfüllt selbstlos die Wünsche des Chefs. Das sind sehr geschätzte Mitarbeiterinnen, verfestigen aber nur das stereotype Denken. Das Lillifeechen glaubt irgendwann entdeckt zu werden…
Dann haben wir noch die Lilith. Eine Figur, die schon in der Frauenbewegung Bekanntheit erlangte. Lilith steht für eine Frau, die selbst entscheiden will. Die stark und selbstbewusst ist und ihre eigenen Bedürfnisse kennt. Und jetzt fragen Sie sich: Welches Programm habe ich innerlich stereotyp laufen? Wie soll ich sein – wie nah, wie freundlich, wie zugewandt? Distanz heißt auch mal eine Grenze zu setzen. Zu sagen: nein, dieses Projekt ist jetzt zu viel, ich habe schon fünf andere.
Dann haben wir noch ein anderes Bedürfnis: Das Bedürfnis nach Selbstachtung. Wir wollen uns zugehörig fühlen, aber manchmal wollen wir auch einzigartig sein. Entscheidend bei all diesen Bedürfnissen ist: Hier geht es nicht um das entweder oder, sondern um das sowohl als auch. Nehmen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse unter die Lupe. Entdecken Sie Lieschen, Lillifee und Lilith in sich. Tauschen Sie sich mit anderen Frauen und Männern zu diesem Thema aus – weil auch Männer sind von Stereotype beeinflusst. Alleinernährer zu sein in der heutigen Zeit, seine Kinder nicht zu sehen, ist auch für viele Männer kein Spaß mehr. Gerne können Sie sich auch mit uns austauschen. Sie können Ihre Meinung auf unserer Facebook-Seite hinterlassen. Oder uns direkt kontaktieren: info@mff-memorandum.de
Stereotype verändern sich. Seinen sie vielfältig, seien sie Lieschen, Lillifee und Lilith in einem und genießen sie es.
Ihre Dr. Nadja Tschirner