Jeder Münchner Bürger ist in seinem Alltag schon direkt oder indirekt mit den Stadtwerken in Berührung gekommen. Sei es der Strom aus der Steckdose oder das nächstgelegene Freibad. Dr. Karin Thelen leitet die Qualitätssicherung der Stadtwerke München. Zur Qualitätssicherung gehört eine Material- und Schweißprüfungsabteilung, ein Trinkwasserlabor und ein Labor, das die chemischen Prozesse in den Kraftwerken der SWM überwacht. Karin Thelen und ihr Team leisten somit Tag für Tag einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich die Infrastruktur in München reibungslos bewegt. Und auch intern bei den Stadtwerken engagiert sich die gebürtige Münchnerin aktiv.

 

Frau Dr. Thelen, Sie sind im Vorstand des Frauennetzwerk der Stadtwerke. Was macht denn ein Frauennetzwerk?

Das Ziel des Frauennetzwerkes ist es die Frauen im Unternehmen zu vernetzen, Frauen zu fördern, sie sichtbar zu machen und zu empowern. Zentral sind alle Themen, die die Frauen bei uns im Unternehmen bewegen.

Ein wichtiges Thema ist hier z.B. das Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen, aber auch zu wissen welche Möglichkeiten bieten die SWM als Arbeitgeber um Beruf und Familie zu verbinden. Denn unser Unternehmen tut hier sehr viel und schafft durch flexible Arbeitszeitmodelle, eine Kita, Hortplätze und Unterstützung durch Familien- und Pflegedienste, mobile Arbeitsmöglichkeiten viele Optionen die genutzt werden können. Über dieses Angebot Bescheid zu wissen ist gerade für Frauen wichtig, denn oftmals müssen sie den Spagat zwischen der Pflege von kranken Kindern oder Angehörigen und den Herausforderungen im Job meistern. Das Netzwerk bietet hierfür eine sehr gute Möglichkeit zur Vernetzung und zum Austausch. Mittlerweile sind mehr als 200 Frauen aktiv dabei und setzen verschiedenste Projekte um und tragen so zur übergreifenden Vernetzung des Unternehmens bei.

 

Sie engagieren sich zu diesem Thema nicht nur bei den Stadtwerken München. Im Herbst letzten Jahres haben Sie als Role Model bei einem Karriere-Meet-Up des Memorandums für Frauen in Führung von Ihrem Karriereweg berichtet. Was war Ihre Motivation sich bei der Karrieremesse herCAREER zu engagieren?

Ich finde es persönlich sehr wichtig, dass man durch Vorbilder Wege aufzeigt, die bereits erfolgreich gegangen wurden. Insbesondere auch für naturwissenschaftlich/technische Bereiche in denen bis jetzt noch nicht so viele Frauen vertreten sind. Dieses soll verdeutlichen, dass Bedarf für Frauen in diesen Bereichen besteht, dass Frauen hier auch Karriere machen können, wenn sie dieses möchten und dass es sehr viele verschiedene Möglichkeiten gibt um diese Wege zu beschreiten. Dazu ist es sehr wichtig persönlich aktiv zu werden und sich Gelegenheiten zu suchen die einen Austausch mit Erfahrungsträgern ermöglichen, z.B. bieten hier die herCAREER oder andere Veranstaltungen und Netzwerke eine sehr gute Plattform.

Denn meine Erfahrungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass Frauen tendenziell häufiger an sich zweifeln und sich Dinge eher zutrauen wenn sie selbst davon überzeugt sind, diese zu 100 % zu erfüllen können. Zweifel kann man aber leichter reduzieren, indem man mehr Transparenz über die Erwartungen schafft, aufzeigt dass man in Rollen hinein wächst und diese nicht vom ersten Moment ausfüllen muss und kann, aber auch den Mut braucht „ja ich will“ zu sagen, wenn sich eine Möglichkeit ergibt.

Das heißt, in der Quintessenz, dass sich Frauen proaktiv austauschen sollen, sich nach Wegen für die eigene Entwicklung umsehen sollen und Chancen ergreifen sollen.

 

Sie sind Mikro- und Molekularbiologin. Wieso haben Sie sich für diesen Weg entschieden?

Dass ich in die Naturwissenschaften möchte, das war mir schon relativ früh klar. Als Schülerin habe ich mich schon immer sehr für Biologie und Chemie interessiert. Und auch die Vertiefung im Biologie-Leistungskurs und im Chemie-Grundkurs hat mich darin weiter bestärkt.

Während des Studiums war es mir immer wichtig auch praktische Erfahrung in der Industrie zu sammeln und so habe ich sehr früh als studentische Mitarbeiterin in einem StartUp angefangen, welches sich zu einem kleinen mittelständischen Unternehmen (KMU) entwickelt hat.

Ich war dann tatsächlich auch 15 Jahre dort und bin von der Praktikantin bis zur Leiterin der Forschung und Entwicklung aufgestiegen. Ich konnte in dieser Zeit sehr viel lernen und habe dabei viele verschiedene Industrien sowie deren Bedürfnisse und Herausforderungen kennen lernen. Insbesondere habe ich hierbei auch meine Managementkompetenz weiter ausgebildet, weil ich den kompletten Value-Chain-Prozess kennen gelernt habe, von der Entwicklung, über das Produktdesign und die Produktion, bis hin zur Vermarktung und Vertrieb von innovativen Produkten und Dienstleistungen über alle Industrien hinweg.

 

Wie sind Sie denn vom StartUp zu den Stadtwerken gekommen?

Nach der Erfahrung in einem Start-Up und KMU war es für mich sehr reizvoll die Perspektive zu wechseln und für einen großen Konzern zu arbeiten. Und bei den Stadtwerken hatte ich die Gelegenheit einen Bereich zu modernisieren und über eine umfassende Reorganisation neu auszurichten. Das hat mich sehr gereizt, weil ich hier alle meine Fähigkeiten einbringen konnte und vor allem auch den Freiraum zur Gestaltung hatte.

Dieser Perspektivwechsel war natürlich auch eine Herausforderung, denn Transformationsprozesse sind grundsätzlich kein Selbstläufer – man braucht sehr viel Fingerspitzengefühl, Geduld und Führungskompetenz, um die Stakeholder mitzunehmen und keinen Performanceverlust zu riskieren Zudem sind in einem Konzern die Strukturen gewachsen, die Teams meist sehr heterogen, hinsichtlich der Motivation, der Altersstruktur, der Kenntnisse. Das zu bewegen und dabei die Mitarbeiter zu motivieren, das war nicht ganz einfach. Aber es ist mir sehr gut gelungen.

 

Welche persönlichen Eigenschaften bringen Sie mit, um in Ihrem Bereich erfolgreich zu sein? Was erwarten Sie von Mitarbeiter*innen, die eine Führungslaufbahn einschlagen wollen?

Ich bin Managerin und Naturwissenschaftlerin. Das passt sehr gut zusammen, denn so kann ich das Beste aus beiden Welten verknüpfen. Als Naturwissenschaftlerin denke ich analytisch, komme sehr gute mit komplexen Fragestellungen zu recht und treibe Innovationen voran. Als Managerin setze ich diese in Geschäftsmodelle um und trage damit zum wirtschaftlichen Erfolg bei und gestalte aktiv die Entwicklung meines Unternehmens. Das ist meine Leidenschaft und meine Motivation.

Als Führungskraft ist es zudem sehr wichtig, dass, man gerne mit Mitarbeitern zusammenarbeitet und die Mitarbeiter*innen nach ihren Stärken einsetzt. Dass man die Ziele des Unternehmens für sie herunterbricht und sie damit an der Umsetzung der Unternehmensvision partizipieren lässt. Dass man den Mitarbeiter*innen auch Wissen weitergibt, sie fördert und fordert und dass man das richtige Handwerkszeug hat. Bei meinen Führungskräften, die hier im Bereich agieren, ist mir auch wichtig, dass wir alle das gleiche, dem SWM Führungsleitbild entsprechende Führungsverständnis haben. Das wir uns aufeinander verlassen können und gegenseitig Rückendeckung geben und integer, wertschätzend und verlässlich sind.

 

Was würden sie Frauen raten, die Karriere im MINT-Bereich machen wollen? Wie möchten Sie sie ermutigen?

An erster Stelle sollten Frauen die Berufsbilder wählen für die sie brennen und die ihnen Spaß machen und sie sollten sich nicht davon abschrecken lassen, dass es vielleicht im Moment noch nicht so vielen Frauen in diesen Berufen gibt. Dann würde ich Frauen empfehlen sich auszutauschen, z.B. über Netzwerke und sich auch Erfahrungsträger*innen und Mentoren*innen zu suchen. Wenn man ähnliche Probleme hat oder vor ähnlichen Herausforderungen steht, merkt man, dass es vielleicht jemanden gibt, der diese schon gemeistert hat und der vielleicht sagt „probier`s doch mal so“ und dann platzt der Knoten.

Meine Passion, mein Gestaltungsinteresse und die Lust mich kontinuierlich weiter zu entwickeln waren immer mein persönlicher Antrieb. In meinem beruflichen Werdegang habe ich meine Entwicklung immer sehr aktiv gestaltet. Ich möchte alle anderen Frauen auch ermutigen aktiv zu werden und sich für die Dinge einzusetzen, die sie bewegen möchten. Denn Frauen machen gerne den Fehler, dass sie warten bis jemand kommt und ihre Leistung erkennt. Aus meiner Erfahrung hat sich gezeigt, dass gute Leistung aber auch das konkrete Ansprechen und die Bereitschaft Gelegenheiten zu ergreifen der richtige Weg sind, um sich zu entwickeln.

Auch das Cross-Mentoring Programm, dass Sie firmenübergreifend steuern ist hier eine hervorragende Möglichkeit und viele Münchener Unternehmen, die SWM fast seit Beginn, sind hier schon dabei. Deshalb kann ich nur empfehlen: Vernetzen Sie sich, seien Sie offen, ergreifen Sie die Initiative und gestalten Sie Ihren Weg aktiv.

 

Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Thelen.

Interview: Veronika Schmid, Cross Consult