Christiane Wolff ist aus unserer Sicht eine Netzwerk-Ikone. Warum sie Frauennetzwerke für so wichtig hält, erzählt sie uns in diesem Interview.

 

CC: Frau Wolff, Sie sind seit kurzem selbständig als Kommunikations- und Positionierungsexpertin und haben lange Zeit in Führungsrollen in Agenturen gearbeitet – zuletzt als Chief Marketing Officer DACH für die Agenturgruppe Dentsu. Sie sind aber auch seit 20 Jahren die Netzwerk-Ikone, die Frauen mit ihren Netzwerken stets ermutigt sichtbar zu werden, über ihre Herausforderungen zu sprechen und sich gegenseitig zu unterstützen. Welche Bedeutung haben für Sie Frauennetzwerke?

 

Ch. Wolff: Netzwerken bedeutet für mich extrem viel. Für meine berufliche Karriere, aber auch für mich persönlich. Mein Netzwerk gibt mir die Freiheit, das zu tun, was ich wirklich tun möchte. Fast alle meine beruflichen Schritte habe ich aufgrund meines Netzwerks gemacht und auch in meinen jeweiligen beruflichen Positionen hat mir mein Netzwerk immer wieder neue Impulse, Inspirationen und natürlich auch Ideen und Antworten gegeben, wenn ich nicht weiter wusste.
Es ist eine ständige Inspiration und Unterstützung, die ich für meine Karriere als elementar empfinde. Ein Netzwerk aufzubauen und zu pflegen erfordert viel Hingabe, Zeit und Engagement. Aber gibt mir als Geschenk so viel zurück, dass ich ohne mein Netzwerk nicht die Person wäre, die ich heute bin, und nicht dort wäre, wo ich heute bin.
Und mich jetzt selbständig zu machen, als Kommunikationsexpertin für Positionierung von CxOs und Führungskräften und natürlich auch weiterhin als Ambassador für dentsu, ist durch mein Netzwerk ein viel leichterer Schritt gewesen!

 

CC: Sie waren beim Thema Frauennetzwerke vor 20 Jahren ganz vorne mit dabei und haben seitdem zahlreiche Frauen inspiriert sich zu vernetzen. Was nehmen Sie selbst für sich aus dem Netzwerken mit?

 

Ch. Wolff: Netzwerken ist erst mal ganz viel Geben. Als Mensch – das sehe ich immer als eine Einheit, meine persönliche und meine berufliche Seite – überlege ich zunächst, wofür ich stehe und was meine Expertise ist und welche Erfahrungen ich in ein Netzwerk hineingeben kann. Das ist für mich immer der erste Schritt.
Und wenn ich offen bin und auf Menschen zugehe und Ihnen meine Unterstützung anbiete, mich einbringe und engagiere, dann bekomme ich diese Unterstützung in den meisten Fällen eben auch zurück. Daher habe ich ganz viel aus meinen Netzwerken mitnehmen dürfen – bis heute. Von großartigen Jobangeboten über tolle Kooperationsideen bis zur Unterstützung bei ganz kleinen Anfragen, die im täglichen To-do anfallen. Das kann eine Location sein, ein Kontakt oder eine Expertin, die ich für ein bestimmtes Thema suche.

 

CC: Gibt es aus Ihrer Sicht Unterschiede zwischen Frauennetzwerken und Netzwerken, die männlich geprägt sind?

 

Ch. Wolff: Ich erlebe in Frauennetzwerken wahnsinnig viel Offenheit und Authentizität. Das empfinde ich als sehr positiv und vertrauensvoll. Ich habe das Gefühl, Netzwerke sind für Frauen auch heute ein wichtiger Ort, um sich wirklich öffnen zu können und mit Gleichgesinnten über auch sensible Themen sprechen zu können. Daher haben aus meiner Sicht Frauennetzwerke auch weiterhin eine absolute Berechtigung und einen sehr relevanten Wert. Ich kann das natürlich bei Männern nur von außen betrachten. Und habe hier das Gefühl, dass Männer sich entspannter unterstützen. Sei dies ein neuer Job, ein Kontakt oder eine Empfehlung. Und es auch als selbstverständlich zu sehen, bei bestimmten Tätigkeiten oder Unterstützungen eine Rechnung zu stellen. Da tun wir Frauen uns in beiden Punkten noch sehr schwer.

 

CC: Was können Männernetzwerke von Frauen lernen und was können Frauennetzwerke von Männern lernen?

 

Ch. Wolff: Das sind genau die beiden Punkte, die ich oben genannt habe. Ich glaube, wir Frauen dürfen und müssen uns noch viel selbstverständlicher gegenseitig empfehlen und für neue Jobs, Positionen oder Projekte ins Gespräch bringen. Ich weiß auch nicht genau, warum wir uns hier so schwertun. Ist es die Angst, jemanden zu empfehlen, ohne sicher zu sein, dass sie die Rolle auch erfolgreich erfüllt? Hier habe ich noch keine wirkliche Antwort oder auch Lösung gefunden.
Und ich glaube, Männer können sich bei uns eine Scheibe abschneiden, wenn es darum geht, eigene Ängste und auch Fehler öffentlich zu machen und darüber im vertrauten Kreis zu sprechen.

 

CC: Nach einer Phase als selbständige Unternehmerin und Ihrer Rolle als CMO Dach bei dentsu haben Sie nun eine neue Herausforderung als selbständige Kommunikationsberaterin gesucht und gefunden. Sie sind zudem auf allen Social Media Kanälen aktiv und organisieren zahlreiche Netzwerkevents. Was treibt Sie an? Woraus schöpfen Sie Energie?

 

Ch. Wolff: Ich liebe es, Menschen zusammen zu bringen, sie miteinander zu vernetzen, Neues zu entwickeln und entstehen zu lassen und dies auch auf die Straße zu bringen. Mich treibt an, aus jeder Begegnung und mit jedem Menschen das Besondere heraus zu spüren und zu merken, wo sie oder er auf ähnlichen Themen unterwegs ist oder sich unterstützen und ergänzen kann. Ich glaube, wir sind im Miteinander viel stärker, kreativer, innovativer und erfolgreicher unterwegs. Daher glaube ich an die Kraft der Begegnung und sowohl an das berufliche als auch menschliche Wachstum, das aus dem persönlichen Austausch entsteht. Hier erwächst so viel Energie und diese Energie fasziniert mich und treibt mich an.
Deswegen mache ich mich jetzt auch genau mit diesem Thema selbstständig. Aus Menschen Marken zu machen, sie aus ihrer beruflichen Brille, aber auch aus ihrem menschlichen Sein mit allen Werten und ihrer Haltung eine Persönlichkeitsmarke gemeinsam zu entwickeln und diese dann mit allen Kräften in die richtigen Kanäle und auf die relevanten Plattformen zu bringen. Potentiale zu sehen und gemeinsam zu entwickeln – das gibt mir extrem viel Energie!

 

CC: Sie waren in vielen männerdominierten Organisationen als weibliche Führungskraft aktiv. Was sind Ihre Learnings? Wie kann es gelingen, in solchen Organisationen als Frau erfolgreich zu sein?

 

Ch. Wolff: Ich kann es zwar nicht belegen und habe hier auch keine Statistik, ich habe aber schon das Gefühl, dass wir Frauen oftmals noch besser, noch schneller und noch erfolgreicher sein müssen, um an die Spitze zu kommen. Für mich sind es neben einer persönlichen Begeisterung für meinen Job auch immer die Thinking out of the box-Ideen und Momente, die Frauen aber natürlich auch jeden Mann sichtbarer werden lassen. Einen USP in seiner Rolle zu finden und diesen auch sichtbar zu machen. Und einen schlauen Match zu finden zwischen den Werten, für die ich stehe und den Anforderungen an meinen Job und meinen beruflichen Zielen.
Sichtbarkeit zu erreichen ist auch für Frauen im Job aus meiner Sicht nicht nur wichtig, sondern elementar. Sich ein internes und externes Netzwerk aufzubauen, ein persönliches Kompetenzteam für die wirklich heiklen Fragestellungen und auch über berufliche Erfolge zu sprechen und sie ebenso sichtbar zu machen. Hier tun sich Frauen aktuell in der Regel noch schwerer als Männer.
Es mit kleinen Schritten auszuprobieren und sich im Unternehmen Verbündete zu suchen, die sich gegenseitig pushen, kann ein guter Tipp sein. Sich vorzunehmen, in jedem Meeting ein Thema zu kommunizieren, sich innerhalb des Unternehmens zu vernetzen, mit Themen-Lunches beispielsweise oder sogar ein eigenes Netzwerk zu gründen, sind sicher auch gute erste Schritte. Daneben kann sich jede Mitarbeiterin mit ihrer Expertise auch als Thought Leader innerhalb und außerhalb des Unternehmens auch als Corporate Influencerin positionieren. Es gibt heute so viele Möglichkeiten und Kanäle, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Einfach starten und machen!

 

CC: Viele Männer haben in ihrer Sozialisation gelernt, dass sie über ihre Erfolge sprechen müssen, um gesehen zu werden. Viele Frauen hingegen haben Bescheidenheit immer noch als Tugend in sich verankert? Wie schaffen Sie es, Frauen zu ermutigen, mit ihren Erfolgen sichtbar zu werden, anstatt sich für ihre Erfolge zu schämen?

 

Ch. Wolff: Wir haben Jahrzehnte oder Jahrhunderte lang gelernt, nicht aufzufallen. Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis wir diese Haltung abgelegt haben. Sich selber darüber klar zu werden, dass ich frei nach dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber!“ auch über erfolgreiche Projekte und erreichte Ziele im Job spreche und darauf stolz bin, ist für viele daher noch nicht selbstverständlich. Aber zu wissen, dass ich nur über eine gewisse Sichtbarkeit auch die nächsten beruflichen Schritte mache, hilft enorm. Und es hat sich zum Glück in den letzten Jahren einiges getan. Ich habe das Gefühl, es gibt sehr viele wunderbare und erfolgreiche Frauen, die dies auch gerne kundtun. Und das ist gut so. Sich hier Vorbilder zu suchen und zu schauen, wie sie es umsetzen, kann auch für die ersten Schritte in die Sichtbarkeit motivieren!

 

CC: Was hat Sie selbst in Ihrem Leben ermutigt, bzw. wer oder was hat Sie ermutigt Ihren Weg zu gehen?

 

Ch. Wolff: Meine Eltern waren sehr offene, mutige und abenteuerlustige Menschen. Und sie waren und sind mir ein großes Vorbild. Sie sind immer ihren Weg gegangen und sind dabei ihren Werten treu geblieben. Sie waren bereits in den 1960er-Jahren in New York, Pakistan und Afrika mehrere Jahre zum Arbeiten. In der damaligen Zeit hieß das noch etwas ganz anderes als in der heutigen globalen und digitalisierten Welt. Die Geschichten, die Erfahrungen und die Ideen, die sie davon mitgebracht haben und die ich miterlebt und aufgesogen habe, haben mich sicher stark geprägt.
Nach den Auslandsaufenthalten sind wir nach Offenbach gezogen. Und auch das Erwachsenwerden in dieser Stadt, die von Diversity und Migration schon seit den 1950er-Jahren geprägt wurde, hat mich sicher sehr in meinem Tun und Werden begleitet. Meine Schulzeit, wenn ich hier heute aus bayrischer Sicht zurückblicke, war auch eine sehr proaktive. Wir haben sehr viel eigene Projekte auf die Beine gestellt und durften uns sehr früh schon selber ausprobieren. Ich empfand das System dort sehr partnerschaftlich und motivierend.

 

CC: Frau Wolff, Sie haben früh erkannt, dass Netzwerke wesentlich dazu beitragen, Frauen zu stärken. Sie setzen sich darüber hinaus aber auch dafür ein, das Thema „GenderDiversity“ bei Ihren Arbeitgebern immer wieder auf die Agenda zu setzen. Was würden Sie Frauen mit auf den Weg geben, die das Thema vorantreiben möchten?

 

Ch. Wolff: Wir alle wissen, dass wir nur in diversen Teams wirklich kreativ, innovativ und damit auch erfolgreich sein können. Hier braucht es immer einen Kopf im Unternehmen, der das auch wirklich auf seine Agenda setzt. Hier helfen Vorbilder aus der obersten Geschäftsführung und drum sollte man sich hier unbedingt Verbündete holen. Und gemeinsam und vielleicht auch mit externer Unterstützung Projekte aufsetzen, die sich des Themas annehmen und auch wirklich ins Tun kommen.
Wir sind es ja gewohnt, groß zu denken und das ist auch gut so. Dennoch helfen hier vielleicht auch manchmal kleine Pflänzchen, wenn es nicht gleich das große Ganze geben kann. Und ich habe in meinem beruflichen Leben die Erfahrung gemacht, dass manches Mal Themen so lange diskutiert werden, dass dann am Ende gar nichts umgesetzt wird. Und hier lautet meine Devise: Es muss nicht immer alles gleich von Anfang an perfekt sein. Lieber 80-prozentig starten und mit einer Idee im Kopf loslegen und dann kann man auf dem Weg immer noch nachjustieren und korrigieren. Aber erst mal machen!
Auch bei diesem Thema hilft es sicher, sich mit Netzwerken auseinander zu setzen und auch dort um Unterstützung zu fragen. Hier gibt es ja zum Glück sehr viele tolle Initiativen und Projekte, die man anschauen und sicher auch Unterstützung bitten kann.

 

CC: Gibt es für Sie eine zentrale Erkenntnis zum Thema Frauen in Führung, die Sie gerne noch mit uns teilen möchten?

 

Ch. Wolff: Ich habe in dieser für uns sicher oft anstrengenden, weil immer digitalen Zeit gelernt, dass es hier fast noch wichtiger ist, auch über Gefühle zu reden und auch Persönliches zu zulassen. Führung heißt für mich miteinander und gemeinsam. Partnerschaftlich und auf Augenhöhe. Wir sind hier Begleiterin, Coach und Vorbild. Diese Rolle verlangt sehr viel Aufmerksamkeit und immer wieder auch Nachjustieren. Und es auch zu schaffen, in der nicht persönlichen Kommunikation den Menschen zu sehen und zu spüren und sie oder ihn wahrzunehmen. Da haben wir als Frauen sicher aufgrund unserer Sozialisation einige Vorteile, die wir hier gut anwenden dürfen und sollten.

 

CC: Liebe Frau Wolff, ich danke Ihnen für das sehr offene, bereichernde und inspirierende Gespräch.

 

Hier der Kontakt von Christiane Wolff!