Mentoring ist in aller Munde, es gibt unzählige Anbieter*Innen von Mentoring-Programmen. Die große Frage, die sich stellt: Hat Mentoring tatsächlich einen Mehrwert? Dazu sind in den vergangenen Jahren viele Studien durchgeführt worden. Dr. Sophie Drozdzewski von Cross Consult hat zum Thema Mentoring promoviert und sich für uns in der Studienlandschaft umgeschaut.

 

Mentoring ist eine einzigartige Beziehung am Arbeitsplatz, die keiner anderen gleicht. Eine erfahrene Person, die Mentor*in, teilt ihren Wissens- und Erfahrungsschatz mit einer weniger erfahrenen Person, der Mentee, mit dem Ziel die persönliche und berufliche Entwicklung der Mentee zu fördern und sie auf ihrem Karriereweg zu begleiten (Kram, 1985). Das Band, das dabei entstehen kann, entsteht durch das tiefe Vertrauen der beiden Beteiligten und kann nicht selten eine jahrelange Freundschaft bedeuten.

Mentor*innen können dabei auf vielfältige Weise unterstützen (Dickson et al, 2014): Man spricht von karrierebezogener Unterstützung, wenn Mentor*innen ihre Erfahrungen sowie Tipps und Tricks aus dem Berufsalltag teilen, ihr Netzwerk zur Verfügung stellen, zu Karrierewegen beraten und als Fürsprecher auftreten. Mentoring-Unterstützung geht aber über die reine Karriereberatung hinaus und umfasst auch psychosoziale Unterstützung, d.h. ein offenes Ohr für die Probleme und Sorgen der Mentees zu haben, sie in ihren Träumen zu bestärken und zu ermutigen, und ehrliches Feedback zu geben, um blinde Flecken aufzudecken und wachsen zu können. Nicht zuletzt stellen Mentor*innen Vorbilder da, die einen konkreten Karriereweg vorleben, eine berufliche Identität verkörpern, und dabei ihre entwickelten Werte, Verhaltensweisen und Kompetenzen vermitteln.

Mentoring am Arbeitsplatz verfolgt meist eines der drei folgenden Ziele:

  1. Potenzialträger*innen auf dem nächsten Karriereschritt zu begleiten (Führungskräfteentwicklung),
  2. Neueinsteigern bei der Orientierung und Sozialisation in der Organisation zu helfen (Onboarding),
  3. bestimmte Personengruppen zu fördern und sichtbarer zu machen, wie z.B. die Förderung von Frauen.

 

Mit Mentoring die Karriereleiter hinauf

Aber wie wirksam ist Mentoring tatsächlich? Forschung rund um das Thema Mentoring konnte in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr positive Effekte und Benefits von Mentoring aufzeigen. So sind Mentees motivierter in ihrer Arbeit und zeigen durch den erhöhten Lerneffekt und die erhöhte Kompetenzentwicklung eine höhere Arbeitsleistung als Personen ohne Mentoring (Eby et al., 2013). Durch den Mentoring-Support gelingt es ihnen sich schneller in einer neuen Organisation oder in einer neuen Rolle zu etablieren und zu sozialisieren (Allen et al., 2017). Sie sind sichtbarer bei einflussreichen Organisations-mitgliedern (Ramaswami & Dreher, 2007), genießen ein höheres Einkommen und werden schneller befördert (Eby et al., 2013; Fletcher & Ragins, 2008). In Summe genießen Mentees daher einen größeren Karriereerfolg als ihre Peers. Zudem sind sie im Vergleich zu Personen ohne Mentoring mit ihrer Arbeit zufriedener, als auch mit ihrer Karriereentwicklung und ihrer Organisation (Allen & Eby, 2004). Dies spiegelt sich auch in einer höheren Verbundenheit zur eigenen Organisation wider, was wiederum einen längeren Verbleib in der Organisation und weniger Kündigungen zur Folge hat (Eby et al., 2013). Dies wird häufig darauf zurückgeführt, dass Mentees die positiven Erfahrungen, die sie im Mentoring gemacht haben, auf die Organisation generalisieren. Ein weiterer Erklärungsansatz könnte sein, dass Mentees sich verpflichtet fühlen, die entgegengebrachte Unterstützung in Form von Loyalität zu erwidern.

 

Studien zeigen, dass die Wirksamkeit von Mentoring auch über den Arbeitsplatz hinausgeht: So berichten Mentees weniger Stress sowie weniger Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben (Bozionelos, 2006; Eby et al., 2013; Lankau et al., 2006). Mentees sind zudem selbstbewusster und zeigen eine erhöhte Selbstwirksamkeitsentwicklung auf, da insbesondere die psychosoziale Unterstützung durch Mentor*innen die Überzeugung der Mentees stärkt, in ihrer beruflichen Rolle erfolgreich zu sein (Eby et al., 2013).

 

Mentoring für die Führungskräfte von morgen

Mentoring wird in der Praxis sehr häufig zur Förderung von Nachwuchsführungskräften eingesetzt sowie im Speziellen dazu, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Einige Studien konnten zeigen, dass in der Führung erfahrene Mentor*innen ihren Mentees erfolgreich Führungskompetenzen und Führungswissen vermitteln (Joo et al, 2018; Sosik & Godshalk, 2000; Sosik et al., 2004). In einer Studie von Lester und Kollegen (2011) war die Teilnahme an einem Mentoring-Programm für die Entwicklung der Nachwuchsführungskräfte wirksamer als ein Führungskräftetraining, da das Mentoring stärker an die Bedürfnisse der jeweiligen Mentees zugeschnitten war als das Training, über einen längeren Zeitraum erfolgte und einen größeren Raum für Persönlichkeitsentwicklung bot. Die psychosoziale Unterstützung durch die Mentor*innen wird von den Autor*innen ebenfalls als zentraler Faktor hervorgehoben (Lester et al., 2011).

 

Darüber hinaus ist es für Organisationen essenziell, die Führungsmotivation ihrer Potenzialträger*innen zu fördern. Nur Personen, die motiviert sind, Verantwortung zu übernehmen, werden Anstrengungen unternehmen, ihre Führungskompetenzen auszubauen und Führungspositionen ergreifen, wenn sich ihnen die Gelegenheit bietet. In der Tat konnte gezeigt werden, dass Mentoring die Führungsmotivation von Mentees fördert, indem die Selbstwirksamkeitserwartung für Führung gestärkt wird (Joo et al, 2018). Zudem erhöht Mentoring die intrinsische Führungsmotivation von Mentees, indem die Mentees ein klar umrissenes Bild von sich selbst als Führungskraft entwickeln (Drozdzewski, 2020).

 

Gerade auch in der Begleitung von Frauen in Führungspositionen konnte Mentoring als wirksames Instrument identifiziert werden. Mentoring trägt zur Sichtbarkeit von Frauen in Organisationen bei und ermöglicht ihnen Zugang zu bisher vornehmlich männlich besetzten Netzwerken (Ragins, 2016; Brocke & Esdar, 2016). Dabei konnte gezeigt werden, dass Mentoring die Diversity-Awareness insbesondere bei männlichen Mentoren stärkt (House et al, 2018). Zudem baut Mentoring wahrgenommene Hürden auf dem Weg in verantwortungsvolle Führungspositionen ab, indem u.a. Impulse zur besseren Vereinbarkeit von Führungsposition und Privatleben gegeben werden (Ragins, 2016). Schließlich bestärken und ermutigen die positiven Erfahrungen im Mentoring, den eigenen Bestrebungen und Wünschen zu folgen (Fullick-Jagiela et al., 2015).

 

Bei der Interpretation dieser Forschungserkenntnisse ist zu beachten, dass Mentoring wie jede andere Beziehung in unserem Leben in der Qualität schwanken kann – von dysfunktional über durchschnittlich bis hin zu außergewöhnlich. Nur besonders qualitativ hochwertige Mentoring-Beziehungen werden die beschriebenen Effekte nach sich ziehen können (Ragins, 2016).

 

Autorin: Dr. Sophie Drozdzewski, Cross Consult

#MENTORINGTHATMATTERS II: Welchen Mehrwert Mentoring für Mentor*innen hat

 

Literatur

  • Allen, T. D., & Eby, L. T. (2004). Factors related to mentor reports of mentoring functions provided: Gender and relational characteristics. Sex Roles, 50(1), 129-139.
  • Allen, T. D., Eby, L. T., Chao, G. T., & Bauer, T. N. (2017). Taking stock of two relational aspects of organizational life: Tracing the history and shaping the future of socialization and mentoring research. Journal of Applied Psychology, 102(3), 324.
  • Bozionelos, N. (2006). Mentoring and expressive network resources: Their relationship with career success and emotional exhaustion among Hellenes employees involved in emotion work. The International Journal of Human Resource Management, 17(2), 362-378.
  • Brocke, P. S., & Esdar , W. (2016). Mentoring an Hochschulen Wissenschaftskultur im Wandel? Eine empirische Untersuchung aus der Perspektive des Gender und Diversity Management Ansatzes. IZGOnZeit . Onlinezeitschrift des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung (IZG) IZG), 20-34.
  • Dickson, J., Kirkpatrick Husk, K., Kendall, D., Longabaugh , J., Patel, A., & Scielzo , S. (2014). Untangling protégé self reports of mentoring functions: Further meta analytic understanding. Journal of Career Development, 41(4), 263-281.
  • Drozdzewski, S. (2020). Mentoring that Matters: Understanding Effective Matching and the Role of Mentoring for Leadership Motivation. Dissertation, LMU München: Fakultät für Psychologie und Pädagogik.
  • Eby, L. T., Allen, T. D., Hoffman, B. J., Baranik , L. E., Sauer, J. B., Baldwin, S., Morrison, M. A., Kinkade, K. M., Maher, C. P., Curtis, S., & Evans, S. C. (2013). An interdisciplinary meta analysis of the potential antecedents, correlates, and consequences of protégé perceptions of mentoring. Psychological Bulletin, 139(2), 441-476.
  • Fletcher, J. K., & Ragins, B. R. (2008). Stone Center Relational Cultural Theory: A Window on Relational Mentoring. In B. R. Ragins & K. E. Kram (Eds.), The Handbook of Mentoring at Work: Theory, Research, and Practice. SAGE Publications, Inc.
  • House, S. C., Spencer, K. C., & Pfund , C. (2018). Understanding how diversity training impacts faculty mentors’ awareness and behavior. International Journal of Mentoring and Coaching in Education.
  • Joo, K., Yu, G. C., & Atwater, L. (2018). Formal leadership mentoring and motivation to lead in South Korea. Journal of Vocational Behavior, 107, 310-326.
  • Kram, K. E. (1985). Mentoring at work: Developmental relationships in organizational life. Scott Foresman.
  • Lankau, M. J., Carlson, D. S., & Nielson, T. R. (2006). The mediating influence of role stressors in the relationship between mentoring and job attitudes. Journal of Vocational Behavior, 68(2), 308-322.
  • Ragins, B. R. (2016). From the ordinary to the extraordinary: High quality mentoring relationships at work. Organizational Dynamics, 45(3), 228-244.
  • Ramaswami, A., & Dreher, G. F. (2007). The Benefits Associated with Workplace Mentoring Relationships. In T. D. Allen & L. T. Eby (Eds.), The Blackwell Handbook of Mentoring: A Multiple Perspectives Approach (pp. 211 231). Blackwell Publishing Ltd.
  • Sosik, J. J., & Godshalk , V. M. (2000). Leadership styles, mentoring functions received, and job related stress: A conceptual model and preliminary study. Journal of Organizational Behavior, 21, 365-390.
  • Sosik, J. J., Godshalk , V. M., & Yammarino , F. J. (2004). Transformational leadership, learning goal orientation, and expectations for career success in mentor protégé relationships: A multiple levels of analysis perspective. The Leadership Quarterly, 15(2), 241-261.
  • Lester, P. B., Hannah, S. T., Harms, P. D., Vogelgesang , G. R., & Avolio, B. J. (2011). Mentoring impact on leader efficacy development: A field experiment. Academy of Management Learning & Education, 10(3), 409-429.