Mentoring hat sich in den letzten Jahren zu einem beliebten Personalentwicklungsinstrument entwickelt, das sehr häufig in Unternehmen eingesetzt wird, um die berufliche und persönliche Entwicklung der Mentees zu fördern. Doch welchen Mehrwert ziehen Mentor*innen aus diesen Programmen? Dr. Sophie Drozdzewski von Cross Consult berichtet über die Wirksamkeit von Mentoring für Mentor*innen.

 

Die Liste der Karriere-Vorteile für Mentees ist lang (vgl. Eby et al., 2013): Dazu zählen ein größerer Karriereerfolg der mit schnelleren Beförderungen und einem vergleichsweise höheren Gehalt einhergeht. Doch welche Benefits hat Mentoring für Mentor*innen? Warum sollte man als Mentor*in tätig werden?

Tatsächlich engagieren sich die meisten Mentor*innen freiwillig und ehrenamtlich für die Entwicklung ihrer Mentees. Die Gründe, die Mentor*innen für ihr Engagement angeben, sind vielfältig und umfassen u.a. die folgenden Aspekte (Janssen et al., 2014; Liu et al, 2021):

  • Hilfsbereitschaft und Freude an der Unterstützung jüngerer Kolleg*innen,
  • Soziales Engagement,
  • Weitergabe des eigenen Wissens- und Erfahrungsschatzes,
  • Generativität und Sinnhaftigkeit der Mentor-Tätigkeit,
  • Wiedererkennen des eigenen Selbst im Mentee,
  • Vernetzung / Networking,
  • Freundschaft,
  • Motivation, auf dem neuesten Stand der Entwicklungen zu bleiben,
  • Engagement für das eigene Unternehmen und
  • Sicherstellung von Nachfolgebesetzungen.

 

Auch Mentor*innen unserer Cross-Mentoring Programme führen ähnliche Gründe an:

 

„Ich bin dankbar, dass ich einen Menschen für eine begrenzte Zeit als Sparringspartnerin, Potenzialweckerin und Ermutigerin begleiten darf. Ich schätze das gemeinsame Vertrauen und das kurze Stück gemeinsamen Weg, das wir gemeinsam gehen. Und manchmal ist aus dem Mentoring-Tandem heute eine wertvolle Freundschaft geworden. […] Im Sinne gelebter Nachhaltigkeit ist mir das Engagement im Ehrenamt wichtig. Ich gebe meinen Mentees etwas von der Unterstützung zurück, die ich in meiner Karriere erfahre und erfahren habe.“

Claudia Zeimes, Prokuristin und Abteilungsleitung Personal-, Organisations- und Compliance-Management, Bayerngas GmbH, langjährige Mentorin, aktuell im Cross Talents München

 

 

Sven Feldheim, Director und Leiter Geschäftskunden, Deutsche Bank AG, langjähriger Mentor, aktuell im Cross Talents München

„Ich übernehme gerne Verantwortung. Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und mit Fragen Anregung zum Nachdenken zu geben, macht Spaß. Gleichzeitig ist nicht zu vergessen, man trifft auf Menschen die etwas hören wollen, die Interesse haben an Erfahrungen anderer und diese hinterfragen. Quasi Wollen und Wollen kommt zusammen.“

 

Mit Mentoring zu neuen Ideen und Perspektiven

Während den allermeisten Mentor*innen demnach ein altruistisches Motiv zugrunde liegt, wird Mentoring jedoch längst nicht mehr als Einbahnstraße gesehen, von der nur Mentees profitieren können. Auch Mentor*innen können aus der Beziehung zu einem*r jüngeren Kolleg*in einen Mehrwert für sich ziehen. Eine extensive Meta-Analyse, die mehrere Studien aus diesem Bereich zusammengefasst hat (Ghosh & Reio, 2013), berichtet, dass auch Mentor*innen einen entscheidenden Lerneffekt im Mentoring erfahren. Durch die neu gewonnen Ideen und Perspektiven und den beiderseitigen Erfahrungsaustausch zeigt sich eine erhöhte Kompetenzentwicklung und damit in der Folge auch eine höhere Arbeitsleistung. Dies wird auch auf die kreativen Synergien, die sich in den Gesprächen ergeben, als auch auf die berufliche Verjüngung im Austausch mit kreativen und talentierten Mentees zurückgeführt (Kaminski et al., 2017).

 

„Ich gehöre tatkräftig ins Team Räuberleiter, das andere unterstützt, das Netzwerk öffnet sowie Potenziale entdeckt und gestaltet. Ich schätze das Feedback und die spannenden Fragen meiner Mentees. Und die wertvollen Dialoge, die wir führen. Dadurch bekomme auch ich weitere Sichtweisen.“

Claudia Zeimes

 

Gerade im sogenannten Reverse Mentoring, bei dem Mentor*innen explizit von jüngeren Kolleg*innen lernen sollen, kommt dieser Effekt zum Tragen (Garg et al., 2021). Hier erweitern Mentor*innen häufig insbesondere ihre digitalen Kompetenzen, indem sie von den Digital Natives lernen können. Gleichzeitig erhalten sie einen tiefen Einblick in die Werte und Lebensrealität der nachfolgenden Generation.

 

Als Mentor*in die eigenen Führungsfähigkeiten verbessern

Weiterhin schult die beratende Tätigkeit im Mentoring die Mentor*innen in der Perspektivenübernahme sowie in Führungskompetenzen (Chun et al., 2012). Insbesondere üben sich Mentor*innen im Mentoring in transformationalem Führungsverhalten (Chun et al., 2012). Transformationale Führung beschreibt einen Führungsstil, der von einem starken Vorbildcharakter für das Team (idealized influence), einer inspirierenden Vision von der Zukunft (inspirational motivation), intellektueller Anregung (intellectual stimulation) sowie individueller Wertschätzung und Unterstützung der Teammitglieder (individualized consideration) geprägt ist (Siangchokyoo, 2020). All diese Facetten finden sich auch im Mentoring: Mentor*innen leben als Vorbilder einen konkreten Karriereweg vor und geben ihre Erfahrungen weiter. In den gemeinsamen Gesprächen findet sich Platz für inspirierenden Austausch von Ideen und neuen Sichtweisen sowie Spielen mit verschiedenen Karrierewegen und Zukunftsperspektiven, die für die Mentees möglich sein könnten. Nicht zuletzt drücken Mentor*innen in der Beratung ihrer Mentees sowie deren Bestärkung und Ermutigung ihre Wertschätzung für das Gegenüber aus. Mentor*innen geben daher nicht nur die eigenen Erfahrungen in der Führung an Mentees weiter, sondern verbessern in den Gesprächen mit den Mentees auch ihre eigenen Führungsfähigkeiten, indem sie sich in transformationalem Verhalten üben. Der transformationale Führungsstil ist mit einer ganzen Reihe an positiven Outcomes verbunden, darunter eine erhöhte Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter*innen, eine höhere Arbeitsleistung, eine höhere Zufriedenheit mit der Arbeit und ein höheres Commitment zum Team und zur Organisation (DeRue et al., 2011; Siangchokyoo, 2020; Wang et al, 2011).

 

„Auch ist das [Cross-Mentoring] selbst eine Möglichkeit sich zu überprüfen. Im Alltag mit meinen Mitarbeitern ist das eine oder andere vorhersehbar, kalkulierbar und unter Umständen eingefahren. In einem offenen Mentoring kommt auch mal anderes Feedback. Gleichzeitig lerne ich von den Mentees/Talentees aus ihren Erfahrungen in ihrem Arbeitsalltag und kann für mich selbst auf meine Arbeit als Führungskraft Rückschlüsse ziehen.“

Sven Feldheim

 

Das eigene Netzwerk erweitern und Reputation gewinnen

Zuletzt können Mentor*innen im Mentoring ihr Netzwerk erweitern – durch den sich eröffnenden Zugang zum Netzwerk der Mentees und durch die Vernetzung mit anderen Programmteilnehmer*innen. Auf diese Weise ergeben sich neue, interessante Kontakte, die für das eigene berufliche Vorankommen nützlich sein können. Studien zeigen zudem, dass Mentor*innen durch ihr Engagement im Mentoring einen erhöhten sozialen Status in ihrem Umfeld genießen (Liu et al., 2009). So können Mentor*innen in ihrer Organisation Reputation und Anerkennung gewinnen für die Entwicklung von jungen Talenten und für ihre Fähigkeiten als Mentor*in (Kaminski et al., 2017).

 

Beruflich erfolgreicher als Mentor*in

Schließlich berichten Mentor*innen im Vergleich zu Personen, die sich nicht im Mentoring engagieren, eine höhere Zufriedenheit mit der Arbeit und der eigenen Karriere sowie eine höhere Verbundenheit zur Organisation (Liu et al, 2009). Die Tätigkeit als Mentor*in wirkt sich demnach auch positiv auf die eigene Arbeit und das allgemeine Wohlbefinden aus. Dies mag auch in der bewussten Auseinandersetzung und damit Wertschätzung der eigenen Karriere wurzeln.

In Summe sind Mentor*innen erfolgreicher in ihrer Karriere als Personen ohne Mentoring und sie berichten zahlreiche positive Auswirkungen des Mentorings auf den eigenen Berufserfolg (Ghosh & Reio, 2013). Mentoring bietet insofern den doppelten Mehrwert – für Mentees und für Mentor*innen gleichermaßen.

 

Autorin: Dr. Sophie Drozdzewski, Cross Consult

 

#MentoringThatMatters I: Forschungserkenntnisse zur Wirksamkeit von Mentoring bei Mentees 


Literatur

  • Chun, J. U.; Sosik, J. J.; Yun, N. Y. (2012): A longitudinal study of mentor and protégé outcomes in formal mentoring relationships. Journal of Organizational Behavior, 33(8), S. 1071-1094.
  • Derue, D. S., Nahrgang, J. D., Wellman, N. E. D., & Humphrey, S. E. (2011). Trait and behavioral theories of leadership: An integration and meta‐analytic test of their relative validity. Personnel psychology, 64(1), 7-52.
  • Eby, L. T., Allen, T. D., Hoffman, B. J., Baranik , L. E., Sauer, J. B., Baldwin, S., Morrison, M. A., Kinkade, K. M., Maher, C. P., Curtis, S., & Evans, S. C. (2013). An interdisciplinary meta analysis of the potential antecedents, correlates, and consequences of protégé perceptions of mentoring. Psychological Bulletin, 139(2), 441-476.
  • Garg, N., Murphy, W., & Singh, P. (2021). Reverse mentoring, job crafting and work-outcomes: the mediating role of work engagement. Career Development International.
  • Ghosh, R., & Reio , T. G. (2013). Career benefits associated with mentoring for mentors: A meta analysis. Journal of Vocational Behavior, 83(1), 106-116.
  • Janssen, S., van Vuuren, M., & de Jong, M. D. (2014). Motives to mentor: Self-focused, protégé-focused, relationship-focused, organization-focused, and unfocused motives. Journal of Vocational Behavior, 85(3), 266-275.
  • Kaminski, S., Kennecke, S. S., Dlugosch, D. S., Weisweiler, S. & Frey, D. (2017). Mentoring. In: Bierhoff, H. W./Frey, D. (Hg.): Kommunikation, Interaktion und soziale Gruppenprozesse. Enzyklopädie der Psychologie. Bd. C/VI/3. S. 873-900.
  • Liu, Y., Abi Aad, A., Maalouf, J., & Abou Hamdan, O. (2021). Self- vs. other-focused mentoring motives in informal mentoring: conceptualizing the impact of motives on mentoring behaviours and beneficial mentoring outcomes. Human Resource Development International, 24(3), 279-303.
  • Liu, D., Liu, J., Kwan, H. K., & Mao, Y. (2009). What can I gain as a mentor? The effect of mentoring on the job performance and social status of mentors in China. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 82(4), 871-895.
  • Siangchokyoo, N., Klinger, R. L., & Campion, E. D. (2020). Follower transformation as the linchpin of transformational leadership theory: A systematic review and future research agenda. The Leadership Quarterly, 31(1), 101341.
  • Wang, G., Oh, I. S., Courtright, S. H., & Colbert, A. E. (2011). Transformational leadership and performance across criteria and levels: A meta-analytic review of 25 years of research. Group & organization management, 36(2), 223-270.