Meine Arbeit soll mir Spaß machen. Ich möchte in meinem Unternehmen geschätzt werden. Ich möchte erfolgreich sein mit dem was ich beruflich tue. Ich möchte in meiner Arbeit einen Sinn sehen. Können Sie sich mit einer dieser Aussagen identifizieren? Dann gehören Sie wahrscheinlich zu denjenigen, die gelegentlich bis häufig frustriert von der Arbeit nach Hause gehen. Die meisten berufstätigen Frauen und Männer erwarten, dass sie mit ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber tagtäglich zufrieden sind. Aber kann ich das erwarten? Was kann ich eigentlich von einem Unternehmen erwarten? Dieser Frage ging Executive-Coach Klaus Eidenschink in seinem Vortrag „Können Organisationen glücklich machen? Oder warum häufig seelische Muster von Führungskräften dysfunktional geworden sind“ nach. Sein Vortrag fand im Rahmen einer Abendveranstaltung unseres Cross-Mentoring Netzwerks München unter der Gastgeberschaft von KPMG statt.

 

Referent Klaus Eidenschink bei seinem Vortrag
Referent Klaus Eidenschink bei seinem Vortrag

 

Wir fassen den Vortrag zusammen:

Der Antwort auf die Frage „Kann Arbeit glücklich machen?“ Bzw. „Können Organisationen glücklich machen?“ kommt man näher, indem man sich zunächst die Frage stellt: Was muss ich tun, um mit Sicherheit in einer Organisation unglücklich zu sein? Unglücklich werde ich mit Sicherheit irgendwann, wenn ich folgende Erwartungen hege:

  • Dass mir die Organisation Wertschätzung liefert. Gegenargument: Werden Sie denn für Ihre Arbeit bezahlt? Werden sie vielleicht sogar gut bezahlt? Ist das denn nicht genug Wertschätzung vom Unternehmen für Ihr Tun, für das Sie eingestellt wurden?
  • Dass Organisationen Sicherheit geben. Gegenargument: Kein Marktwirtschaftliches Unternehmen kann absolute Sicherheit versprechen. Einzig der Staatsbeamte kann sich vermeintlich darin wägen und selbst dieser ist nicht vor einem Staatsbankrott gefeit – siehe Griechenland.
  • Dass Organisationen gerecht sind. Gegenargument: Haben Sie sich schon einmal beklagt, dass Sie vom Arbeitgeber ungerecht behandelt wurden? Das hat fast jeder schon einmal. Doch gerade das Beispiel „Entlohnung“ macht deutlich, dass sich nie alle gerecht behandelt fühlen können. Denn entlohnt das Unternehmen nach Leistung, fühlen sich vielleicht dienstältere Kollegen ungerecht behandelt, die weniger verdienen als jüngere. Bezahlt das Unternehmen nach Zugehörigkeitsjahren, fühlen sich diejenigen ungerecht behandelt, die mehr leisten als andere und trotzdem nicht mehr verdienen.
  • Dass Organisationen dem Leben einen Sinn geben. Gegenargument: Wer Sinn in seinem Tun sucht und nicht in seinem Sein, der wird immer irgendwann mit seinem Tun scheitern oder Rückschläge erleben und bei ständiger Wiederholung schließlich resignieren.
  • Organisationen sind für die Menschen da. Gegenargument: Nicht wirklich. Organisationen sind dazu da, Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen und sich so wirtschaftlich am Markt behaupten zu können.

 

Wenn ich an diesen Erwartungen festhalte, gehe ich häufig frustriert von der Arbeit nach Hause. Diese Erwartungen sind Zeichen einer kindlichen Seele – das Gegenteil von Erwachsensein. Man kann auch auf weitere Elemente seelischen Erwachsenseins verzichten und sich unglücklich machen, zum einen indem man sich mit dem identifiziert was man tut. Das Wohlbefinden hängt quasi davon ab, was ich geleistet habe und nicht was ich bin. Zum anderen indem ich mein Wohlbefinden von spezifischen Reaktionen anderer Menschen (Lob, Tadel) oder speziellen Bedingungen in meiner Umwelt (das Büro mit den drei großen Fenstern) abhängig mache. Dann wird das Leben nicht bestimmt von der Frage „Wer bin ich?“ und „Was entspricht mir?“, sondern von Fragen, die die eigene Abhängigkeit von äußeren Faktoren kultivieren und inneren Dauerstress erzeugen wie z.B. Wie werde ich erfolgreich? Was bringt mir Spaß? Was verhindert Scheitern?

 

Wenn man sich fürs Tun anstatt fürs Sein entschieden hat – quasi für Regsamkeit anstatt für Erwachsensein – dann sieht der Arbeitstag so aus:

  • Ich hetzte von Termin zu Termin, bearbeite Emails im Akkord und versuche mit allem fertig zu werden. Der Selbstwert hängt davon ab, ob ich geschafft habe, was ich mir vorgenommen habe. Gegenargument: Moderne Organisationen sind grundsätzlich so aufgebaut, dass kaum jemand mehr Zeit für eine bestimmte Aufgabe hat. Wenn das eine Projekt noch nicht abgeschlossen ist, folgt schon wieder das nächste. Das Leben wird zu einer endlosen To-Do-Liste und einem sich-beeilen.
  • Ich bin in Ordnung, wenn ich niemanden brauche und alles alleine hinbekomme. Gegenargument: In Zeiten des ständigen Feedbacks, der ausgeprägtem Teamarbeit und der Workflow-Manager schieße ich mich damit allerdings selbst ins Abseits.
  • Wenn ich alles perfekt hin bekomme habe, war das ein guter Arbeitstag. Gegenargument: Organisationen bieten heutzutage überhaupt nicht mehr die Zeit, eine Aufgabe mit höchster Sorgfalt zu erledigen. Das Streben nach Perfektion in allem Tun ist Utopie.
  • Ich bin mit mir zufrieden, wenn alle anderen mit mir zufrieden sind. Gegenargument: Meist ziehen unterschiedliche Kräfte von unterschiedlichen Richtungen an einem Mitarbeiter. Er hat gar nicht die Chance, es jedem Recht zu machen. Die Frage ist eher: wen enttäusche ich heute? Um das tun zu können, brauche ich die Gelassenheit mir zu sagen: Ich bin ein guter Mensch, auch wenn ich es nicht immer allen Recht mache.
  • Wenn ich mich anstrenge, habe ich meine Pflicht getan. Gegenargument: Unsere Leistungsgesellschaft ist immer stärker Ergebnisorientiert. Für einen guten Willen wird heutzutage niemand mehr befördert.
  • Schließlich die Steigerung von Regsamkeit statt Erwachsensein ist der Narzissmus: Ich bin dann in Ordnung, wenn ich so bin, wie ich möchte, dass ich bin. Die absolute Orientierung am Ich-Ideal und die Vollbeschäftigung mit dem wie ich sein möchte, nicht wie ich bin und ein ständiges daran berauschen [derzeit auch par excellence in der amerikanischen Politik zu beobachten].

 

Doch in der modernen, globalen, digitalisierten Gesellschaft werden diese narzisstischen Muster aussterben. Moderne Organisationen nötigen zum Erwachsensein. Erwachsensein zeichnet sich dadurch aus, dass man zwar Ängste und Unsicherheiten verspürt, aber gut im Umgang damit ist.Dass man andere Menschen nicht für die eigenen Gefühle verantwortlich macht und mehr mit dem Erreichen von Angenehmem beschäftigt ist als mit dem Vermeiden von Unangenehmem

 

Fazit: Die seelische Selbstregulation hat mit der Entwicklung von Organisationen nicht mitgehalten, deswegen sind die meisten Menschen in Organisationen unter Stress. Erst wenn ich das seelische Erwachsensein erreicht habe, machen mich Organisationen nicht mehr unglücklich. Und die Antwort auf die Frage „Können Organisationen glücklich machen?“ lautet: Nicht wenn man sein Glück in dem sieht, was man erwartet und was man tut anstatt in dem was man erlebt und was man ist.

 

„Der höchste Lohn für unsere Bemühungen ist nicht das was wir dafür bekommen, sondern das was wir dadurch werden.“ John Ruskin

 

Aufzeichnung: Julia Schmid

Mehr Informationen zur Veranstaltung gibt’s hier auf der Cross Consult-Seite.