Carla und Madita teilen sich zwei Jobs. Mit dem einen verdienen sie ihren Lebensunterhalt, mit dem anderen verwirklichen sie sich selbst. Das Interview der beiden Kolleginnen auf „Gründerszene.de“ zeigt, dass Jobsharing nicht nur ein attraktives Arbeitsmodell für Eltern ist, sondern auch für junge Startup-Gründerinnen und Gründer, Menschen mit einer Leidenschaft für soziales Engagement, Personen mit Pflegefällen in der Familie oder einfach für vielfach Interessierte. Aber das geht doch auch mit Teilzeit!? Worin liegen die Vorteile von Jobsharing? Das klären wir in unserem Blogbeitrag.

 

Was ist Jobsharing?

Jobsharing heißt: Ein Job, zwei Mitarbeiter – sprich, wenn sich mindestens zwei Beschäftigte eine Vollzeitstelle teilen. Die Aufteilungsmöglichkeiten sind vielfältig: Der eine übernimmt den Vormittag, der andere den Nachmittag. Auch verschiedene Wochentage bieten sich an. Wenn sich Jobsharer nicht den Arbeitsplatz teilen, sind natürlich auch Überschneidungen möglich und manchmal sogar sinnvoll – z.B. für Übergaben, Absprachen, Meinungsaustausch, wichtige Termine.

Nach der gesetzlichen Grundlage (Paragraf 13 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes) können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass sich mehrere Beschäftigte die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen. Ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht. Sprich der Mitarbeiter muss dem Vorgesetzten das Model vorschlagen und auf Entgegenkommen hoffen.

 

Was sind die Vorteile von Jobsharing gegenüber Teilzeitarbeit?

  1. Zwei Köpfe denken besser als einer: Beim Jobsharing kommt es nicht darauf an, dass das Tandem genau den gleichen beruflichen Background und die gleichen Kompetenzen mitbringt. Im Gegenteil, es kann sogar von Vorteil sein, wenn sich das Wissen und die Fähigkeiten im Tandem ergänzen. Das Unternehmen profitiert von erweitertem Knowhow und die Jobsharer erweitern ihren Horizont durch gegenseitiges Lernen. Nicht zu vergessen: Das kreative Potential, das in zwei Köpfen steckt!
  2. Größere Sorgfalt: Gegenseitige Kontrolle soll keine negativen Assoziationen der Überwachung wecken. Vielmehr geht es um die Vorteile des Vieraugen-Prinzips, das gerade bei wichtigen Entscheidungen, komplizierten Dokumenten oder verzwickten Fällen vor Fehlern bewahrt. Zeitlich ist es unrealistisch, dass der Tandempartner jede Email oder jedes Schriftstück vor der Weitergabe gegenliest – dies würde auch den Handlungsspielraum des Einzelnen zu sehr einschränken. Aber es gibt Sicherheit, sich theoretisch bei jemanden rückversichern zu können und es verändert die Fehlerkultur.
  3. Es bleibt weniger liegen: Ist eine Stelle „nur“ in Teilzeit besetzt, heißt das auch, dass sich in der unbesetzten Zeit niemand um die Aufgaben kümmert. Beim Jobsharing bleibt die Arbeit nicht mehr „liegen“ bis Mitarbeiter A wieder an den Arbeitsplatz zurückkehrt, sondern wird von Mitarbeiter B in der Zwischenzeit erledigt. Das nimmt zum einen Stress von den Arbeitnehmern und bringt für den Arbeitgeber den Vorteil, dass Aufgaben schneller abgearbeitet werden können, als von einer Teilzeitkraft.
  4. Gleiche Chance für Mütter: Dass Familie und Karriere für Frauen in Deutschland immer noch schwer miteinander zu vereinbaren sind, ist ein weitläufig bekanntes und vieldiskutiertes Problem. Topausgebildete Frauen, können oder möchten als Mütter häufig nicht mehr in ihre Führungsposition zurückkehren, weil sie aus Zeitgründen lieber in Teilzeit arbeiten möchten aber damit den Anforderungen an eine Führungskraft nicht mehr gerecht werden. Mit dem Jobsharing-Modell, das sich auf Führungsebene auch Topsharing-Modell nennt, besteht die Möglichkeit, dass sich zwei Topfrauen mit Kindern eine Führungsposition teilen. Oder eine Nachwuchsführungskraft die Chance auf einen Aufstieg bekommt, der ihr ansonsten noch nicht geboten worden wäre.
  5. Flexiblere Terminwahrnehmung: Arbeitet ein Mitarbeiter in Teilzeit, kann er nur zu einer bestimmten Zeit Termine wahrnehmen – z.B. nur vormittags oder an bestimmten Wochentagen. Das kann im Team zu Koordinierungsproblemen oder in Führungspositionen gar zu Terminkonflikten führen, bei denen sich die Führungskraft entscheiden muss, ob sie es sich leisten kann, an bestimmten Meetings nicht teilzunehmen. Beim Jobsharing ist gewährleistet, dass so gut wie alle Termine von einem der beiden im Tandem wahrgenommen werden.
  6. Unliebe Aufgaben aufteilen: Es gibt kaum einen Job, der nicht auch Aufgaben mit sich bringt, die einem lästig sind. Seien es Verwaltungsaufgaben, Ablage oder Datenauswertung – der Grad der Abneigung ist subjektiv. Umso besser, denn im Tandem können unliebsame Aufgaben untereinander aufgeteilt werden und treffen den Einzelnen dann nur halb so oft. Oder die Vorlieben des Tandems ergänzen sich sogar in dem Maße, dass sie die unliebsamen Aufgaben des Einen, die Vorlieben des Anderen sind…
  7. Mehreren (Privat-)Anliegen nachgehen: Wie eingangs beschrieben, ist Jobsharing nicht nur ein attraktives Modell für Eltern – Mütter wie Väter – die gerne mehr Zeit mit Ihrer Familie verbringen möchten. Im Fall von Carla und Madita ermöglicht Jobsharing auch Startup-Gründerinnen, die noch am Anfang ihrer Idee stehen, sich ein Einkommen zu sichern und trotzdem Zeit für die Umsetzung der eigenen Visionen zu haben. Andere wiederum engagieren sich beispielsweise mit großer Leidenschaft für die Flüchtlingshilfe und finden ihre Erfüllung nicht im Job, sondern im sozialen Engagement. Wieder andere möchten ihren dementen Vater zu Hause pflegen und müssen die Wochenarbeitszeit reduzieren.
  8. Arbeitgeberattraktivität steigern: Die Bedürfnisse unserer individualisierten Gesellschaft werden immer vielfältiger und für den Mitarbeiter auch immer bedeutender. Work-Life-Balance, persönliche Freiheit, die Frage nach dem Glück beeinflussen bei der jetzt ins Berufsleben eintretenden Generation Z fast noch stärker die Auswahl ihres Arbeitsplatzes und ihres Arbeitgebers, als Gehalt und Position. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels ist es für Unternehmen essentiell, im Wettbewerb um gut ausgebildete Nachwuchskräfte bestehen zu können. Angebote wie Jobsharing und Topsharing steigern die Attraktivität als Arbeitgeber.
  9. Schulung wichtiger Kompetenzen: Kommunikationsfähigkeit, Zeitmanagement, Selbstorganisation werden im digitalen Zeitalter immer mehr zu Schlüsselkompetenzen. Durch die Digitalisierung und Globalisierung kann Arbeit zu jeder Zeit und von jedem Ort aus erledigt werden. Starre Arbeitsbedingungen werden immer weiter aufgeweicht zu Gunsten der Flexibilisierung. Doch diese Entwicklung Bedarf eines höheren Maßes an Organisationsfähigkeit. Zum einen, um trotzdem klare Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit setzten zu können. Zum anderen, um Absprachen und Teamarbeit erfolgreich zu koordinieren, auch wenn sich die Kollegen nicht mehr face-to-face gegenüberstehen. Das sind auch die Herausforderungen, die Jobsharing-Tandems begegnen müssen. Sie können quasi im Kleinen bereits üben, was immer im Großen von Mitarbeitern mehr und mehr verlangt werden wird.
  10. Sharing is caring und außerdem hip: Teilen ist das neue Haben! Dieser Trend zeigt sich nicht nur an der steigenden Beliebtheit von Angeboten wie Carsharing (DriveNow, car2go, etc.), Wohnungs-Sharing (AirBnB, Lovehomeswap) oder gar Sharing von Gebrauchsgegenständen (Wir.de, Leihdirwas ). Die junge Generation denkt weniger konsumorientiert, mehr nachhaltig und pragmatisch nach dem Motto „ich brauch keine Bohrmaschine, sondern ein Loch in der Wand!“ Vertreter dieser Generation – gerade die Informierten und Interessierten unter ihnen – sind offen für Sharing-Angebote in jeder Lebenslage und stellen diese Ansprüche letztendlich auch an ihren Arbeitgeber.

 

Zugegeben, es handelt sich hierbei um eine etwas einseitige Betrachtungsweise. Denn Jobsharing bringt duchaus auch einige Herausforderungen mit sich, die erst einmal gemeistert werden müssen, bevor das Tandem auf Erfolgskurs fährt. Mehr dazu im nächsten Blogartikel. Der passende Tandempartner muss auch erst einmal gefunden sein – in kleineren Unternehmen ein wohl sehr schwieriges bis unmögliches Unterfangen. Natürlich kann Jobsharing nicht der Königsweg für alle Bedürfnisse, alle Mitarbeiter und alle Unternehmen sein. Doch Untersuchungen zeigen, dass der Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen sowohl bei Vertreterinnen der jungen Generation, als auch für die der älteren im Sinne von Altersteilzeit, durchaus vorhanden ist. Sich wandelnde gesellschaftliche Bedürfnisse stellen Unternehmen meist im Laufe der Zeit von alleine vor Herausforderungen, deren Lösung das volle Potential manchmal erst in der Umsetzung zeigt.

 

Autorin: Julia Schmid