Seit die Große Koalition im Jahr 2014 in den Koalitionsverhandlungen die Einführung der Frauenquote von 30% in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen vereinbart und 2015 schließlich verabschiedet hat, ist Deutschland gespalten in Für- und Gegensprecher der Quote. Das wohl häufigeste Gegenargument: Die Geschlechterregelung verhilft unqualifizierten Frauen zum Erfolg, während besser qualifizierte Männer das Nachsehen haben. Dass dieses Argument völlig haltlos ist, haben nun Wissenschaftler der London School of Economics and Political Science am Beispiel von Schweden gezeigt. So viel will vorab schon einmal gesagt sein: Genau das Gegenteil ist der Fall, die Frauenquote hebt das allgemeine Kompetenzniveau in gemischten Führungsteams!
Wie eingangs bereits erwähnt, hat die Frauenquote so manche Diskussion entfacht – mit dem allgemeinen Fazit: „Was bringt es überhaupt mehr Frauen in Führung zu haben?“. Damit ist auch immer die Frage verbunden, ob es nicht sinnvoller sein könnte, alles zu lassen wie es ist. Schließlich führt der angestrebte Kulturwandel erst einmal zu Verunsicherung. Wollen Frauen überhaupt führen? Was passiert mit den Männern, wenn mehr Frauen in Führung kommen? Was bedeutet es für das partnerschaftliche Miteinander von Frauen und Männern, wenn die Rollen nicht mehr so klar verteilt sind, im Sinne „er macht Karriere und sie kümmert sich um die Kinder“. Die Verunsicherung führt dazu, dass gerne auf Gewohntes zurückgegriffen wird, gerne auch auf bekannte Argumente.
Umso wichtiger ist es, dass den Fragen aus verschiedenen Perspektiven begegnet wird. Eine Perspektive ist die, sich anzuschauen, wer wie von dem Wandel betroffen sein wird. Eine Studie, die unter dem Dach der renommierten London School of Economics entstanden ist, hat nun gezeigt, dass sich vor allem die mittelmäßigen Männer warm anziehen müssen, wenn mehr Frauen in Führung kommen. Die Wissenschaftler Tim Besley (London School of Econimics), Olle Folke (Uppsala University), Torsten Persson (Stockholm University) und Johanna Rickne (Stockholm University) haben sich bei ihrer Erhebung auf die sozialdemokratische Partei in Schweden konzentriert, die sich freiwillig im Jahr 1993 auf eine interne Frauenquote einigte. Diese machte damals von sich reden als die „Krise des mittelmäßigen Mannes“, weil davon ausgegangen wurde, dass mit der Quote inkompetente Männer in Führungspositionen am meisten zu befürchten hätten. Und tatsächlich, die neue Studie belegt: Dort, wo sich die Quote am deutlichsten auswirkte, stieg auch die Qualifikation der männlichen Politiker und das allgemeine Kompetenzniveau. Im Durchschnitt sorgten zehn Prozent mehr Frauen für einen dreiprozentigen Anstieg der Anzahl kompetenter Männer. Bei den untersuchten Frauen der sozialdemokratischen Partei waren keine Kompetenzunterschiede vor und nach der Quote festzustellen – was belegt, dass es so oder so nur die Besten nach oben schaffen.
Ist doch eigentlich logisch, oder? Wenn hervorragende Frauen in Positionen vorrücken wollen, die bisher von Männern besetzt waren, erhöht sich natürlicherweise die Konkurrenz. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass mittelmäßige Männer, die vor der Quote durch gut funktionierende Buddy-Netzwerke oder der simplen Tatsache, dass Männer Männer bevorzugen, in Führungspositionen gelangt sind, mit der Quote schlechtere Karten haben. Daher kann man nicht erwarten, dass alle Männer große Freude beim Thema Frauenquote zeigen und sich Mythen um einen Qualifikationsabfall durch Mixed Leadership hartnäckig halten.
Die Forscher sind sich einig: die Ergebnisse aus der schwedischen Politik lassen sich auch auf Unternehmen übertragen. Aus unternehmerischer Perspektive betrachtet, müsste die Stoßrichtung daher klar sein: will das Unternehmen den Erfolg ausbauen, macht es Sinn auf die Besten zu setzen, und ein Indikator kann dafür nicht das Geschlecht sein, sondern ausschließlich eine gendersensible Auswahl der Potenzialträgerinnen und Potenzialträger, die darauf achtet, dass Männern nicht automatisch der Vorzug gegeben wird, weil wir alle stereotyp glauben, dass Männer die geborenen Führungkräfte sind.
Autorin: Dr. Nadja Tschirner, Geschäftsführerin von Cross Consult GbR