Vor fünf Jahren haben wir Stephanie Vischer zum ersten Mal für das Memorandum für Frauen in Führung interviewt. Es ging um das Thema „Dual Career“ – wie sie und ihr Mann es schaffen, zwei Karrieren und die Familie miteinander zu vereinbaren (Interview mit Stephanie Vischer 2012). Sie ist Abteilungsleiterin Objektmanagement bei der Bayerischen Landesbausparkasse (LBS Bayern), er Abteilungsleiter in der Baustoffindustrie. Auf das Powerpaar wurden wir 2009 aufmerksam, als Stephanie Vischer an unserem Cross-Mentoring Programm für Führungskräfte teilnahm. Ihre Verantwortung im Unternehmen ist seitdem gewachsen, ihr Sohn auch. Jetzt haben wir nachgefragt: Wie hat sich das Familienleben eingespielt? Funktioniert es auf Dauer wirklich, wenn beide Karriere machen wollen? Und was sagt sie rückblickend über ihre schnelle Rückkehr aus der Elternzeit in die Führungsposition? Das erfahrt ihr in unserem Interview.

 

Was hat sich in den letzten fünf Jahren beruflich bei Ihnen getan?

Meine Position hat sich verändert. Mit der Fusionierung zweier Abteilungen verantworte ich nun das gesamte Immobilien Management der LBS Bayern.

 

Ein Aufstieg als junge Mutter – nun wieder in Vollzeit?

Nein, in 80%. Ich habe am Dienstag frei und am Donnerstag arbeite ich im Homeoffice. Wenn es betrieblich nötig ist, tausche ich auch manchmal, aber in der Regel klappt das so ganz gut.

 

Und es bleibt wirklich bei 80%?

Ich gebe zu, ich mache sehr viel! Ich pendle von Augsburg nach München und arbeite häufig im Zug. Konzepte oder Unterlagen lesen sind Themen, die finden außerhalb des Büros statt. Das kommt zu den 80% nochmal on top. Aber eine Führungskraft in Vollzeit arbeitet meistens auch mehr als 100%.

 

Und das funktioniert für die ganze Familie?

Ja, sogar ziemlich gut. Zumal mein Mann viel von zu Hause aus agieren kann. Wir haben uns die Kinderbetreuung aufgeteilt: 2 Tage ist er zuständig, 2 Tage bin ich zuständig, 1 Tag managen wir in Abstimmung. Morgens läuft alles gemeinsam. Mein Mann kann sich seine Termine weitestgehend selbst einteilen und so koordinieren, dass er ebenfalls unseren Sohn vom Kindergarten abholen kann. Wenn wir beide Termine haben dann springen Freunde oder Nachbarn ein.

 

Klingt nach einer mehr als fairen Aufteilung.

Von Anfang an war klar, dass ich gerne im Beruf bleiben möchte – weniger wegen der Karriere, sondern mehr, weil ich die Abwechslung brauche. Und wir haben uns überlegt, wie wir das gemeinsam auf die Beine stellen können. Seitdem sitzen wir einmal in der Woche zusammen und besprechen die Termine der Folgewoche.

 

Eine sehr durch getaktete Woche. Wird Ihnen das nie zu viel?

Man muss aufpassen, das stimmt. Ich komme immer wieder in Situationen, in denen ich unter enormen Druck stehe und mir selbst Grenzen setzen muss. Wenn ich merke, dass ich sehr unter Strom stehe, versuche ich zum Beispiel am Abend oder im Zug nicht zu arbeiten, sondern abzuschalten. Manchmal sagt auch mein Mann: Du pass auf, jetzt ist wieder Familie dran.

 

Was ist die größte Herausforderung für Sie als Mutter mit Karriere?

In jedem Abschnitt um die Kinderbetreuung zu kämpfen. Es war schwierig, einen Krippenplatz zu bekommen. Als ich im 4. Monat schwanger war, habe ich mich bereits um Krippenplätze beworben. Bei den städtischen Krippen habe ich Absagen bekommen und musste eine private Einrichtung nehmen – die zwar sehr gut, aber natürlich auch nicht günstig ist. Einen Kindergartenplatz in der Nähe zu bekommen war auch wieder ein Kampf. Und jetzt der Hortplatz mit Ferienbetreuung für die Schulzeit…

 

Haben Sie sich jemals dafür rechtfertigen müssen, ihr Kind viel extern betreuen zu lassen?

Nein, da in unserem Umfeld viele Familien in der gleichen Situation sind. Eher umgekehrt: manchmal gibt mir die Reaktion von Kollegen das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, wenn ich meinen freien Tag habe oder im Homeoffice bin.

 

Wie ist es um Ihre Work-Life-Balance bestellt?
Vor einem halben Jahr habe ich festgestellt, dass es nicht mehr passt, dass ich an meine belastbare Grenze komme und habe deshalb mit meiner Bereichsleitung gesprochen. Wir haben in vielen Gesprächen Lösungen gefunden und haben unter anderem entschieden, meine Abteilung Umzustrukturieren und mein Team aufgrund der Vielzahl und Komplexität der Themen mit zusätzlichen Mitarbeitern aufzustocken.

 

Sie haben überhaupt keine Angst vor negativen Folgen für die Karriere, wenn Sie offen kommunizieren, dass es Ihnen zu viel wird?

Ich wollte noch nie Karriere um jeden Preis machen, daher hatte ich nie Angst etwas verlieren zu können. Mich reizen spannende Aufgaben. Und die wird es immer geben – egal in welcher Position.

 

Was muss der Arbeitgeber leisten, um Top-Frauen mit Kind wie Sie in einer Führungsposition zu halten?

Flexible Arbeitsmodelle sind wichtig. Aber auch, dass man offen für Gespräche ist und so wie bei mir gemeinsam nach Lösungen sucht. Wenn da keine Führungskraft ist, die einen unterstützt und hinter einem steht, funktioniert es sicher nicht.

 

 Viele denken, Kind und Karriere bei beiden Partnern sei nicht möglich…

Mein Mann und ich sind der beste Gegenbeweis. Aber es ist sicher nicht jeder dafür gemacht. Es gehört eine gewisse Belastbarkeit dazu, extreme Organisation. Und ein Partner auf Augenhöhe, der damit umgehen kann. Der Haushalt ist geteilt, die Kinderbetreuung ist geteilt. Das ist reine Einstellungssache, aber es müssen halt beide mitziehen. Und ja, es ist eine Belastung. Sicher wäre es entspannter, wenn ich nur am Vormittag arbeiten würde. Aber dann wäre ich nicht zufrieden – das weiß auch mein Mann.

 

Ein LBS-Kollege hat in unserem Interview Frauen zu mehr Kalkül in der Lebensplanung geraten. Haben auch Sie sich schon nach dem Studium nach einem familienfreundlichen Arbeitgeber umgesehen?

Wir waren schon sehr lange verheiratet und konnten uns immer noch nicht entscheiden, ob wir ein Kind wollen oder nicht. Von daher war das für mich lange kein Thema. Aber zum Kalkül: ich glaube, es hilft als Frau zielgerichtet an das Thema Elternzeit ran zu gehen und die Rückkehr genau festzulegen. Ich habe schon vor dem Mutterschutz einen Vertrag unterzeichnet, wann und mit wie viel Prozent ich wieder einsteige. Ich finde es immer fatal, zu sagen: ich geh jetzt mal für ein oder zwei Jahre in Elternzeit. Ich beobachte, dass viele den Weg zurück nicht mehr finden bzw. finden wollen oder zumindest nicht mehr in dem Umfang. Frühere Abteilungsleiterinnen oder Mitarbeiterinnen mit Projektverantwortung sind jetzt in einfacheren Aufgaben unterwegs. Das finde ich schade.

 

Wie ging es Ihrem Mann mit der Beantragung von Teilzeit in Elternzeit?

Das ist ein wichtiges Thema. Der Fokus wird immer sehr auf die Frau gelegt, Kind und Karriere vereinbaren zu können. Mein Mann hat damals genau wie ich einen Antrag auf zwei Jahre Teilzeit in Elternzeit gestellt und für seine Firma war es ein komplett neues Thema, dass ein Mann diesen Weg geht. Obwohl es sich um ein großes Unternehmen handelt, das sich ebenfalls mit Leitlinien zu Beruf und Familie befasst. Es besteht generell noch großer Entwicklungsbedarf, dass Männer die gleichen Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Kind und Karriere bekommen wie die Frauen.

 

Hatte Ihr Mann dadurch Karriere-Nachteile?

Nein. Aber der Weg dahin war schwer und hat viel Mut gefordert. Wir sind das Risiko eingegangen und haben gesagt: Wenn es nicht klappt, dann bleibt er komplett zu Hause und wir leben von meinen 70%. Und im Endeffekt lief für uns und auch für die Firma meines Mannes alles super. Mein Mann hat sogar nach 2 Jahren wieder auf 100% aufgestockt, weil wir gemerkt haben, dass alles sehr gut funktioniert.

 

Würden Sie im Rückblick etwas anders machen?

Natürlich fragt man sich, ob man genügend Zeit mit dem Kind verbringt. Darauf habe ich die Antwort noch nicht gefunden – sage ich ganz ehrlich. Ich habe schon das Gefühl, dass ich alles Wichtige in seinem Leben miterlebe, gerade durch meinen freien Tag und Homeoffice. Auch durch meinen Mann, der mir alles im Detail erzählt. Ich sehe es eher so: Ich nutze dafür die Zeit, die ich mit meinem Sohn habe intensiver.

 

Möchten Sie bald wieder auf 100% erhöhen?

Nein – es passt im Moment genauso wie es ist. Mit dem aktuellen Arbeitsmodell können ich und mein Mann Familie und Beruf sehr gut in Einklang bringen.

 

Interview: Julia Schmid

 

Über die LBS Bayern: Die Bayerische Landesbausparkasse verhilft seit über achtzig Jahren breiten Bevölkerungsschichten in Bayern zum Erwerb und Erhalt von Wohneigentum. Als Bausparkasse der Sparkassen ist die LBS Bayern überall im Freistaat präsent und sorgt unter dem Leitmotiv „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause“ dafür, dass jeden Tag neue Grundsteine für die eigenen vier Wände gelegt werden. Die LBS Bayern ist mit 1,6 Millionen Kunden die führende Bausparkasse in Bayern. 716 Mitarbeiter arbeiten im Innendienst, 635 im Außendienst. Mit der Unterzeichnung des „Memorandums für Frauen in Führung“ strebt die LBS Bayern eine ausgewogene Beteiligung von Frauen und Männern in Führung an.

 

Ein weiteres Interview mit einem LBS-Mitarbeiter zum Thema „Männer in Elternzeit“ findet ihr hier.

Und das ist das Interview mit Stephanie Vischer von vor 5 Jahren: Interview mit Stephanie Vischer 2012