Zwei Karrieren in einer Familie – für die Meisten nicht umsetzbar, wenn ein Kind im Spiel ist. Zu groß der organisatorische Aufwand, zu hoch das Risiko, wenn einer mal nicht funktioniert. Häufig etabliert sich dann doch der leichtere Weg: Einer steckt zurück und investiert mehr Arbeit in die Familie – meistens die Frau -, der andere konzentriert sich verstärkt auf den Job und fungiert als Haupternährer – meistens der Mann. „Sicher wäre es entspannter, wenn ich nur am Vormittag arbeiten würde. Aber dann wäre ich nicht zufrieden – das weiß auch mein Mann“, sagt dagegen unsere mutmacher.in Stephanie Vischer und ist der beste Beweis, dass es funktionieren kann, wenn beide Elternteile eine Karriere verfolgen.
Stephanie Vischer ist Abteilungsleiterin Immobilien Management bei der Bayerischen Landesbausparkasse (LBS Bayern), ihr Mann Abteilungsleiter in der Baustoffindustrie. Von ihrer „Dual Career“ erfuhren wir 2009, als Stephanie Vischer als Mentee an unserem Cross-Mentoring Programm für Führungskräfte teilnahm. Ihre Verantwortung im Unternehmen ist seitdem gewachsen und ihr Familien-Job-Konstrukt hat sich gefestigt. Wie das geht? „Es gehört eine gewisse Belastbarkeit dazu, extreme Organisation. Und ein Partner auf Augenhöhe, der damit umgehen kann. Der Haushalt ist geteilt, die Kinderbetreuung ist geteilt. Das ist reine Einstellungssache, aber es müssen halt beide mitziehen“, erzählt Stephanie Vischer im Gespräch mit dem Memorandum für Frauen in Führung.
Seit der Fusionierung zweier Abteilungen verantwortet sie das gesamte Immobilien Management der LBS Bayern. Und das in Teilzeit mit 80%! Mit einem Tag Homeoffice und einem freien Tag pro Woche, bleibt ihr trotz Führungsverantwortung Zeit für ihren Sohn. Genug Zeit? „Natürlich fragt man sich, ob man genügend Zeit mit dem Kind verbringt. Darauf habe ich die Antwort noch nicht gefunden – sage ich ganz ehrlich“, gesteht sie, aber fügt hinzu: „Ich habe schon das Gefühl, dass ich alles Wichtige in seinem Leben miterlebe, gerade durch meinen freien Tag und Homeoffice. Auch durch meinen Mann, der mir alles im Detail erzählt. Ich sehe es eher so: Ich nutze dafür die Zeit, die ich mit meinem Sohn habe intensiver.“
Ihr Mann stockte nach einem Jahr in Teilzeit wieder auf 100% Arbeitszeit auf, aber ist durch flexible Arbeitszeiten, eigener Terminplanung und der Möglichkeit zu Homeoffice nach wie vor die zweite tragende Säule im Hause Vischer. Die Kinderbetreuung nach Kindergarten- bzw. mittlerweile Hortschluss ist gleichberechtigt verteilt: „2 Tage ist er zuständig, 2 Tage bin ich zuständig, 1 Tag managen wir in Abstimmung.“ Diese Flexibilität musste sich ihr Mann im Unternehmen erst erkämpfen. Ein wichtiges Thema, findet Stephanie Vischer, denn „der Fokus wird immer sehr auf die Frau gelegt, Kind und Karriere vereinbaren zu können. Mein Mann hat damals genau wie ich einen Antrag auf zwei Jahre Teilzeit in Elternzeit gestellt und für seine Firma – ein großes Unternehmen – war es ein komplett neues Thema, dass ein Mann diesen Weg geht. Es besteht generell noch großer Entwicklungsbedarf, dass Männer die gleichen Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Kind und Karriere bekommen wie die Frauen.“
Mittlerweile läuft bei ihrem Mann die Vereinbarkeit von Job und Kinderbetreuung reibungslos und Stephanie Vischer hat sich als zuverlässige Führungskraft bei der LBS Bayern etabliert. Eine Führungskraft, der es nie um Karriere für jeden Preis ging, sondern stets um spannende Aufgaben. Aus diesem Grund hat Stephanie Vischer auch keine Angst vor Karriereeinbußen, wenn sie offen bei ihrem Arbeitgeber Probleme anspricht – so wie vor ca. einem Jahr, als sie bemerkte, dass sie an ihre Grenzen gerät: „In vielen Gesprächen mit der Bereichsleitung haben wir eine Lösung gefunden und unter anderem entschieden, meine Abteilung Umzustrukturieren und mein Team aufgrund der Vielzahl und Komplexität der Themen mit zusätzlichen Mitarbeitern aufzustocken.“ Eine offene Gesprächskultur im Unternehmen ist für Stephanie Vischer ein wichtiges Kriterium für einen attraktiven, familienfreundlichen Arbeitgeber.
Und was rät die Abteilungsleiterin anderen Frauen, die sich fragen, wie sie Karriere mit Kind am besten angehen könnten? „Ich glaube, es hilft als Frau zielgerichtet an das Thema Elternzeit ran zu gehen und die Rückkehr genau festzulegen. Ich finde es immer fatal, zu sagen: ich geh jetzt mal für ein oder zwei Jahre in Elternzeit. Ich beobachte, dass viele den Weg zurück nicht mehr finden bzw. finden wollen oder zumindest nicht mehr in dem Umfang. Frühere Abteilungsleiterinnen oder Mitarbeiterinnen mit Projektverantwortung sind jetzt in einfacheren Aufgaben unterwegs. Das finde ich schade.“ Deshalb beteiligt sich Stephanie Vischer an unserer mutmacher.in-Kampagne und trägt so dazu bei, dass sich in Zukunft vielleicht noch mehr Mütter mit Potential eine Führungsposition zutrauen, auch wenn sie keinen Hausmann zu Hause haben – sondern einen Partner auf Augenhöhe.
Autorin: Julia Schmid
Hier geht’s zu einer weiteren mutmacher.in
Das komplette Interview mit Stephanie Vischer findet ihr unter diesem Link:
Und hier gibt’s einen Beitrag über einen anderen LBS Bayern-Mitarbeiter – die Elternzeit aus männlicher Perspektive: