„Gegenseitiges Vertrauen, kein Konkurrenzgedanke, Flexibilität und Professionalität“ sind nötig, damit das Tandem im Jobsharing-Modell funktioniert und harmoniert, erzählt Dr. Virginia Bastian aus eigener Erfahrung. Die Managerin von Nestlé (Human Resources Group Manager) kehrte ein halbes Jahr nach der Geburt ihrer Tochter in ihre Führungsposition zurück, teilte sich den Job mit ihrer Elternzeitvertretung und bildete damit das erste Jobsharing-Tandem auf Managementebene bei Nestlé.

 

Ergänzend zum Artikel „10 Gründe warum Jobsharing das coolere Teilzeit ist“ geht es in diesem Blogbeitrag darum, welche Herausforderungen das neue Trend-Modell meistern muss und wie der Erfolg des Tandems gewährleistet werden kann.

 

Absprache ist das A und O. Absprache kann heißen, dass sich das Tandem regelmäßig zu Beginn der Woche überlegt, wie es sich aufteilt oder vor Start jeden Monats und/oder gar am Anfang des Jahres. Es müssen Fragen geklärt werden wie: Wer arbeitet wann? Wer ist wann an welchem Ort? Wer nimmt welche Termine wahr? Bearbeitet jeder unterschiedliche Themen oder arbeiten beide an einem? Abhängig von den To-Dos und den Kapazitäten des Arbeitsplatzes sollte sich das Tandem zudem überlegen, wann das nacheinander und wann das zeitgleiche Arbeiten sinnvoller ist. Überlappungen können für Absprachen, Meinungsaustausch oder wichtige Termine hilfreich sein.

 

Darüber hinaus sind gute Übergaben und Transparenz von großer Bedeutung für effektives Arbeiten und das Vermeiden von Doppelstrukturen. Den Tandem-Partner bei jeder E-Mail in CC zu setzen, ist eine Möglichkeit. Für Jobs, die einen hohen Kommunikationsaufwand und damit eine zu belastende E-Mail-Flut mit sich bringen, kann es zur besseren Übersicht helfen, alle Tätigkeiten in einer Liste zu dokumentieren oder gar mit einer professionellen Projektmanagement-Software zu arbeiten.

 

Der sicherste Weg, um das Tandem schnell zum Erfolg zu führen, sind begleitende Schulungen und Workshops. Dies betrifft nicht nur die Unterstützung bei der Einführung in Organisations- und Kommunikationstools, sondern auch Hilfestellungen für Fragen auf zwischenmenschlicher Ebene. Wenn zwei Menschen so eng zusammenarbeiten (müssen) bleiben Konflikte und Meinungsverschiedenheiten oft nicht aus. Es ist nur die Frage, wie das Tandem diese Konflikte konstruktiv lösen und gestärkt daraus hervorgehen kann.

 

Ehrlichkeit statt Eitelkeit ist auch ein wichtiges Mantra. Gerade wenn mal etwas schief läuft ist es wichtig, die Probleme und Fehler offen zu besprechen anstatt über unausgesprochenen Verantwortungszuschreibungen zu brüten oder gar hinter dem Rücken zu lästern. Sollten sich Disharmonien einschleichen, ist es wichtig schnell zu handeln, um das Tandem wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Das Einschalten eines Vermittlers kann für eine objektive Einschätzung der Lage und das Einlenken beider Parteien helfen. Wiederum ist es auch bei Erfolgen wichtig, dass das Ergebnis als Leistung beider Tandempartner kommuniziert wird. Gerade wenn die Tandem-Partner in ihrem Auftreten und ihrer Präsenz sehr unterschiedlich sind, ist es von großer Bedeutung, dass kein Ungleichgewicht bei der Sichtbarkeit im Unternehmen und somit einseitige Unzufriedenheit entsteht.

 

Die Fähigkeit Aufgaben tatsächlich abgeben zu können, darf nicht unterschätzt werden. Als Arbeitnehmer werden wir von Anbeginn unserer Karriere dazu erzogen, alles selbst erledigen, stets den kompletten Überblick haben und immer souverän wirken zu müssen. Mit dem Jobsharing-Modell muss das Tandem lernen gemeinsam anstatt parallel zu arbeiten. Sonst landen beide im Endeffekt im klassischen Teilzeit-Modell. Und dies ließe sich auch mit geringerem Koordinierungsaufwand umsetzen – doch dann bleiben auch die vielen Vorteile auf der Strecke. Coachings und Mentoring-Programme helfen dabei, eigene Verhaltensmuster, Rollenerwartungen und stereotypes Denken zu reflektieren, Handlungsbedarf wahrzunehmen und gegebenenfalls sich selbst zu optimieren. Dr. Virginia Bastian hat beispielsweise am Cross-Mentoring-Programm unserer Unternehmensberatung Cross Consult teilgenommen – im Jahr 2012 als Mentee, vier Jahre später als Mentorin. Das Cross-Mentoring-Programm beinhaltet die Besonderheit, dass Mentees und Mentoren aus unterschiedlichen Unternehmen ein Tandem bilden. Somit ist ein angstfreier Austausch möglich, bei dem Probleme und eigene Defizite offen besprochen werden können, ohne dass der Mentee Sorge haben muss, seine Schwachstellen könnten im Unternehmen durchsickern. Zum anderen blicken alle Teilnehmer über den Tellerrand hinaus und lernen durch den Vergleich mit anderen Betriebspraktiken dazu.

 

„Zwar brauchte es am Anfang etwas Zeit, bis sich die Dinge eingespielt hatten, für uns, für unser Team und unsere Kollegen“, sagt Dr. Virgina Bastian. Doch die Nestlé-Führungsfrau ist vom Jobsharing-Modell vollends überzeugt und spricht von insgesamt nur positiven Erfahrungen. „Am Ende konnte ich viel lernen – Vertrauen aufbauen, delegieren, andere Vorgehensweisen akzeptieren“. Mit dem Jobsharing-Modell konnte sie trotz Elternschaft ihre Führungsposition weiter wahrnehmen und zusätzlich Kompetenzen wie Abstimmungsgeschick, Effizienz und Flexibilität stärken. Deshalb ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch immer kein Kinderspiel, aber flexiblere Strukturen machen Kind-und-Karriere-Konstellationen möglich, die noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wären.

 

Von ihrem Jobsharing-Modell berichtet Dr. Virginia Bastian übrigens auch im Buch „Mut zu Kindern und Karriere“ , in dem 40 Working Moms erzählen, wie sie Karriere und ein erfülltes Familienleben in Einklang bringen – herausgegeben vom Netzwerk „Working Moms“.

 

Autorin: Julia Schmid