Seit September diesen Jahres leitet Katharina Hochfeld das Center for Responsible Research and Innovation (CeRRI) der Fraunhofer IAO. Ein besonderer Fokus ihrer Forschungsarbeit liegt auf der Rolle der Unternehmenskultur für das Gelingen von Transformationsprozessen. Im Zuge des Kick-Offs des 11. Cross-Mentoring Programms in Augsburg, das Dr. Katharina Hochfeld mit einem spannenden Impulsvortrag bereichert hat, hat Sie mit uns über Erfolgsfaktoren für Innovationsleistungen in einer hybriden Arbeitswelt post Corona gesprochen.

 

Frau Hochfeld, Sie beschäftigen sich mit Transformationsprozessen und Innovationsstrategien. In Ihrem Vortrag im Rahmen der virtuellen Auftaktveranstaltung des 11. Cross-Mentoring Augsburg haben Sie Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor für Innovation in einer hybriden Arbeitswelt identifiziert. Was macht diesen Faktor in der hybriden Arbeitswelt noch einmal wichtiger als in den Reinformen der analogen oder digitalen Arbeitswelt?

 

Die (Zusammen-) Arbeit in der hybriden Arbeitswelt ist nochmal komplexer geworden. Hybrides Arbeiten bedeutet beispielsweise, dass einige Kollegen*innen in Präsenz gemeinsam zusammenarbeiten, andere virtuell zugeschaltet sind. Hybrides Arbeiten bedeutet aber auch, dass ich bestimmte Phasen von Projekten oder von Innovationsprozessen bewusst analog, andere bewusst digital plane und insgesamt einen hybriden Prozess realisiere. Das ergibt mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Schnittstellen. Die Unternehmenskultur kann hier Leitplanken für den Umgang miteinander in unterschiedlichsten Settings bereitstellen: Wertschätzung, Vertrauen und Fehlertoleranz sind beispielsweise Werte die breit und etwas abstrakt sind, aus denen sich aber ganz konkrete Regeln für Meetings ableiten lassen: Wer darf wann in Meetings sprechen? Wie binde ich in hybriden Meetings die virtuell anwesenden Kollegen*innen ein? Wie viel Zeit wollen wir uns auch im Virtuellen zum gegenseitigen Kennenlernen lassen?

 

Neben den kulturellen Rahmenbedingungen gelten eine entsprechende Infrastruktur und notwendige Anwenderkenntnisse auf Seiten des Personals als weitere Herausforderungen für Innovationsarbeit in der hybriden Arbeitswelt. Zunächst zum Faktor Infrastruktur: Nicht für alle Unternehmen gelten diesbezüglich die gleichen Voraussetzungen. Verhindern geringere finanzielle Mittel an dieser Stelle grundsätzlich den Sprung in die Unternehmenskultur 4.0 oder kann der Wandel auch unter alternativen Umständen gelingen?

 

Durch die Corona-Pandemie mussten die meisten Unternehmen bereits die Infrastruktur aufbauen, um virtuelle Zusammenarbeit zu realisieren. Der Schritt in die Hybridität muss nicht zwangsläufig mit viel höheren Kosten verbunden sein. Es muss nicht unbedingt die virtual reality Ausstattung für alle Mitarbeitenden sein. Viel wichtiger ist zu überlegen, wie die Zusammenarbeit gestaltet werden soll, welche Team- und Meetingregeln gelten sollen.  Mitarbeitende oder Führungskräfte im Unternehmen können beispielsweise als interne Moderator*innen solcher Meetings ausgebildet werden. Außerdem müssen alle Mitarbeitenden die Fähigkeiten besitzen die existierenden Tools zur virtuellen und hybriden Zusammenarbeit zu nutzen und die Bereitschaft haben Neues zu lernen.

 

Zum Faktor der digitalen Anwenderkenntnisse: Die Studie D21-Digital-Index gibt diesbezüglich Hinweise auf das Vorliegen einer Digital Gender Gap, also dass Frauen in Deutschland gesamtgesellschaftlich betrachtet einen geringeren Digitalisierungsgrad als Männer aufweisen. Wie könnte der Faktor Unternehmenskultur dazu beitragen, diese Lücke zu schließen und wie gelingt es alle Mitarbeiter*innen mitzunehmen?

 

Aus der Forschung wissen wir, dass psychologische Sicherheit in der virtuellen Zusammenarbeit noch wichtiger ist, als in der Teamarbeit in Präsenz ohnehin. Psychologische Sicherheit bedeutet die gegenseitige Wertschätzung der Fähigkeiten der Teammitglieder, das Teilen von Informationen im Team sowie die Bereitschaft, Fehler offen zu kommunizieren ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Eine Unternehmenskultur die psychologische Sicherheit ermöglicht, kann daher Frauen und Männern Sicherheit vermitteln, sich neue Fähigkeiten anzueignen und sich im digitalen Raum auszuprobieren. Damit können Menschen mit einem geringeren Digitalisierungsgrad motiviert werden diesen weiterzuentwickeln.

 

Inzwischen existieren zahlreiche Tools, mit denen Unternehmen ihre ganz eigene hybride Arbeitswelt gestalten können.  Wie findet man aus dieser Menge das richtige Werkzeug, das zur eigenen Unternehmenskultur passt und so die eigene Innovationsarbeit stärkt?

 

Wichtig ist es die Bedürfnisse und Zielstellungen des Unternehmens und der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt der Auswahl zu stellen. Tools, die aktuell als hipp diskutiert werden oder in anderen Unternehmen funktionieren, müssen nicht das richtige Tool für mein Unternehmen sein. Unternehmen sollten sich gemeinsam (!) mit ihren Mitarbeitenden fragen: was brauchen wir eigentlich, welche Tätigkeiten werden digitalisiert, wo helfen uns digitale Tools beim Schnittstellenmanagement und Wissenstransfer? Außerdem sollte die Anzahl der Tools limitiert werden, um nicht unnötig komplizierte Schnittstellen zu schaffen und die Einarbeitung in immer neue Tools zu vermeiden.

 

Am Cross-Mentoring Augsburg nehmen dieses Jahr zum zweiten Mal auch Gründer*innen junger Startups teil. Diese befinden sich also noch am Beginn der Etablierung einer eigenen Unternehmenskultur. Was können Sie diesen mit Berücksichtigung des Gedankens der Arbeit 4.0 mitgeben?

 

Ich hatte das Gefühl, dass die jungen Start-ups die Arbeit 4.0 schon hinter sich gelassen haben und dabei sind noch einen Schritt weiter zu gehen: sie sind sehr digital affin und gestalten ihre eigenen Rahmenbedingungen. Start-ups sind oft Inhaber*innen-geführte Unternehmen. Das bedeutet, dass der oder die Gründer*innen einen großen Einfluss auf die Kultur des Unternehmens haben. Wenn das Unternehmen wächst, sollten sich die Gründer*innen dieser Rolle und Verantwortung bewusst sein und gemeinsam mit den Mitarbeitenden überlegen, in welche Richtung sich die Unternehmenskultur entwickeln soll.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Katharina Hochfeld!

 

Interview geführt von: Felicia Kuckertz