Die gute Nachricht zuerst: Es tut sich was für Frauen und Männer in der Arbeitswelt!

 

Im aktuellen Benchmark des Memorandums für Frauen in Führung (kurz MFF), an dem acht Unternehmen teilgenommen haben, zeigen sich wesentliche Entwicklungen in den Bereichen Frauen in Führungspositionen, Umfang der Teilzeittätigkeit von Frauen und Männern, Inanspruchnahme von Elternzeit durch Frauen und Männer und Angebote zu flexiblen Arbeitszeitmodellen. Weitere Benchmark-Ergebnisse und Grafiken finden sich auf der Homepage des MFF unter dem Menüpunkt „Benchmark“.

 

Der Benchmark des MFF wird seit dem Jahr 2010 jährlich durchgeführt und kann damit relevante Entwicklungen in den Unternehmen über die Jahre hinweg abbilden. Beim Benchmark 2016 haben sich die Unternehmen BayernLB, Bayerische Versorgungskammer, Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, GEWOFAG, LBS Bayern, LVM Versicherung und SWM Stadtwerke München beteiligt.

 

Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen in den Räumlichkeiten von MFF-Mitglied Bayerische Versorgungskammer.
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen in den Räumlichkeiten von MFF-Mitglied Bayerische Versorgungskammer. Foto: BVK

 

Es zeigt sich: Die Arbeitswelt ist in den vergangenen sieben Jahren geschlechtergerechter und flexibler geworden.  ABER: es fehlen noch wesentliche Schritte, um die Ziele des MFF zu erreichen.

 

Diese positiven Veränderungen zeigen sich in den Unternehmen:

  • Der Anteil von Frauen auf den unteren Führungsebenen hat in den vergangenen sieben Jahren kontinuierlich zugenommen. Während Ende 2010 der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Mittel bei 23% bei allen am Benchmark beteiligten Unternehmen lag, hat sich der Anteil bis 2016 auf 32% erhöht. Dieser neunprozentige Anstieg in sieben Jahren macht deutlich, dass sich die Integration von Frauen auf den Führungspositionen nachhaltig und mit einer erfreulichen Geschwindigkeit vollzieht. Setzt sich der positive Trend so fort, dann können wir bei den Unternehmen, die sich seit 2010 am Benchmark beteiligen, bereits 2022 einen durchschnittlichen Anteil von über 50% Frauen in Führungspositionen erwarten.
  • Mehr als ein Drittel der Beschäftigten bei den am Benchmark beteiligten Unternehmen arbeiteten 2016 in Teilzeitmodellen. Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen und Männer hat sich damit seit 2010 von 28% aller Beschäftigten auf 34% erhöht. Von Teilzeit als Ausnahmemodell kann daher kaum mehr gesprochen werden und die Ergebnisse spiegeln die gesellschaftlichen Bedürfnisse wider. Der Wunsch der Beschäftigten neben einer qualifizierten Erwerbstätigkeit auch anderen Lebensbereichen mit Energie und Aufmerksamkeit nachgehen zu können, wird immer lauter. Neben Gründen der familiären Vereinbarkeit oder der Pflege von Familienangehörigen zeigt sich längst der individuelle Wunsch nach einer ausgeglichenen Mischung von Arbeit und Leben. Besonders bemerkenswert ist, dass der Anteil der Männer, die in Teilzeit arbeiten in den vergangenen sieben Jahren ebenfalls kontinuierlich angestiegen ist. Ein Trend, der sich bei beiden Geschlechtern zeigt und damit die Zuschreibung von „Teilzeit ist Frauensache“ langfristig verändern wird.
  • Die Inanspruchnahme von Elternzeit ist bei Männern – wie bei Frauen – mittlerweile gängige Praxis, auch wenn die Männer in der Regel bei den gesetzlich motivierten zwei Monaten bleiben.
  • Die angebotenen Arbeitszeitmodelle werden immer vielfältiger. Dies zeigt sich sowohl beim Einsatz neuer Kommunikationstools, die eine fortlaufende ortsunabhängige Kommunikation fördern sollen. Deutlich wird der Wandel auch daran, dass die Nutzung von Homeoffice mit neuen Modellen – wie dem „Flexitag“ – von der Ausnahme zum Standard gemacht werden soll. Die bisher notwendige Rechtfertigung seitens des Mitarbeiters, warum er denn gerade heute im Homeoffice arbeiten will, ist damit nicht mehr notwendig und gibt den Beschäftigen die Freiheit für sich zu entscheiden, wo die Arbeit am besten erledigt werden kann.

Diese „ABER“ lassen sich erkennen:

  • Der Anteil von Frauen in Führungspositionen wächst ausschließlich auf den unteren Führungsebenen, wie Team- und Abteilungsleiterinnen. Auf den oberen Führungsebenen stagnieren die Anteile von Frauen auf diesen Positionen oder sind bei einigen Unternehmen sogar rückläufig. Die „Glass Ceiling“ („Gläserne Decke“) zeigt sich hier in den Daten ganz deutlich und macht klar, dass es auch heute für Frauen immer noch fast unmöglich ist, bis in die Vorstandsebene zu kommen. Klar wird damit auch, dass es nur mit weiteren umfassenden Maßnahmen gelingen kann, mehr Frauen den Aufstieg in die Top-Etagen zu ermöglichen. Dazu gehört zum einen, dass die systematische Förderung von Frauen auf den unteren Führungsebenen beibehalten wird. Zum anderen müssen Angebote für mehr Frauen in Top-Etagen wie z.B. Mentoring-Programme, Coaching und Sponsoring-Angebote ausgebaut werden. Hier gilt es sowohl strukturelle alsauch kulturelle Barrieren zu überwinden und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es für Frauen attraktiv machen, Verantwortung in der ersten Reihe zu übernehmen.
  • Teilzeit hat Konjunktur – aber nicht auf den Topetagen. Die Zunahme von Führungsmodellen in Teilzeit endet auf Abteilungsleiter-Ebene. In nur drei von acht Unternehmen arbeitet jeweils eine Person auf der Ebene der Bereichsleitung in Teilzeit. Modelle wie Top-Sharing, also eine geteilte Führungsverantwortung, sind aktuell ausschließlich auf die unteren Führungsebenen beschränkt.  Auf den oberen Führungsebenen dominiert nach wie vor die Kultur der ständigen Erreichbar- und Verfügbarkeit. Dabei wäre gerade hier eine Flexibilisierung wichtig, um Top-Positionen für Frauen attraktiv zu machen – ein Kriterium das im Übrigen auch zunehmend für männliche Nachwuchstalente an Bedeutung gewinnt.
  • Dass immer mehr Männer Elternzeit in Anspruch nehmen – wenn auch nur für zwei Monate – ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Doch das scheint sich erstaunlich wenig auf die Arbeitsteilung in den Familien auszuwirken. Interessanterweise hat von den am Benchmark beteiligten Unternehmen bisher nur ein Unternehmen spezifische Angebote, die auch Väter ansprechen. Zwischen den Zeilen wird deutlich, dass junge Väter sehr kritisch abwägen, wann und wie lang sie sich eine Familienauszeit genehmigen können, ohne Karriereeinbußen befürchten zu müssen. Ein klares Signal dahingehend, dass sich die Kultur einer „AllzeitBereitErwartung“ an die Männer noch nicht verändert hat. Hier kann es nur hilfreich sein, männliche Vorbilder und Rollenmodelle aufzuzeigen, die für sich eine gelungene Balance aus Verantwortung in der Familie und einer qualifizierten Tätigkeit gefunden haben.
  • Die neuen Arbeitszeitmodelle fordern mehr von den Menschen! Es geht darum, individuell Verantwortung für das Gelingen der Arbeit, der Kommunikation, der eigenen Einbindung ins Team und der Zusammenarbeit mit anderen Bereichen zu übernehmen. Die Bedürfnisse sind vielfältig. So zeigt sich, dass der Wunsch eine soziale und kommunikative Anbindung im Büro zu haben, ein wesentlicher Wohlfühl-Faktor für viele Beschäftigte ist. Gerade im Home-Office lauert auch die Gefahr, kein Ende bei der Arbeit zu finden und weit mehr Zeit zu investieren, als man offiziell arbeiten müsste. Wie Unternehmen hier konstruktive Rahmenbedingungen setzen können, zeigt sich an der Diskussion über eine zeitlich begrenzte Diensthandy-Nutzung.
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen. Foto: BVK
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen. Foto: BVK

Der Weg zu einer gendergerechten Arbeitswelt

Die bereits errungenen Erfolge und die noch offenen Baustellen machen deutlich: Unternehmen, Vorstände, Führungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen vor der Herausforderung, Arbeit auf allen Ebenen flexibler und vorurteilsfreier zu gestalten und stärker nach den realen Bedürfnissen als nach alten Strukturen auszurichten. Zentral ist, dass dies bis in die höchste Ebene geschieht, denn an ihr orientieren sich die unteren Ebenen und nur so können es Frauen bis an die Spitze schaffen.

Das Memorandum für Frauen in Führung stellt daher einen gemeinsamen Kulturwandel in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit, der nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten sich nicht als Kunde, sondern als Teil der Lösung verstehen.

 

Autorin: Simone Schönfeld

(Eine der Initiatorinnen des MMF und

Geschäftsführerin der genderspezialisierten Unternehmensberatung Cross Consult)

 

KPMG-Mitarbeiter Daniel Jagar ist selbstbewusst in seine 4-monatige Elternzeit gegangen:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

Dass Frauen in Toppositionen oft unter besonderer Beobachtung stehen, kann Christine Draws, Führungsfrau bei der Bayerischen Versorungskammer, bestätigen:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung